Böses Blut
bald. Aber als er buchen will, zeigt es sich, daß die Maschine ausgebucht ist. Er weiß jedoch definitiv, daß ein Platz frei ist. Er betrachtet das Flugticket, findet den Namen Lars–Erik Hassel sowie eine Buchungsnummer, ruft an und storniert das Ticket, wodurch ein Platz frei wird. Was ist falsch an diesem Bild?«
»Finde fünf Fehler«, sagte Hjelm. Keiner lachte.
»Es ist tatsächlich möglich, fünf zu finden«, sagte Chavez mit einer unbeabsichtigten, doch wenig karrierefördernden Spitze gegen Hultin, der natürlich keine Miene verzog. »Das Entscheidende an deinem Szenario, Jan–Olov, ist ja der Zufall. Wenn es sich wirklich so verhält, daß er erst nach dem Mord auf die Idee kommt, ausgerechnet nach Schweden zu fliegen, kann man sich natürlich fragen, ob er sich tatsächlich solche Mühe machen würde, in ein vollkommen beliebiges Land zu kommen. Der Verkehr nach Newark und von dort weg geht ja ununterbrochen. Warum nicht ebensogut Düsseldorf fünf Minuten später oder Cagliari acht Minuten später?«
»Cagliari?« fragte Nyberg.
»Auf Sardinien«, sagte Hjelm hilfsbereit.
»War doch nur ein Beispiel«, sagte Chavez ungeduldig. »Der Clou ist doch der, daß es ganz und gar nicht den Anschein hat, Schweden sei zufällig gewählt worden. Und das kommt mir noch eine Spur unangenehmer vor.«
»Und dann kann man sich ja fragen«, fügte Kerstin Holm hinzu, »ob er wirklich das Risiko eingehen wollte, erst zum Schalter zu gehen und ein Nein zu hören, ein paar Minuten später aber zum Schalter zurückzukehren, um jetzt ein Ja zu bekommen. Ein Mann, der fast zwanzig Jahre lang das FBI an der Nase herumgeführt hat, würde kaum das Risiko eingehen aufzufallen, und schon gar nicht mit einer Leiche im Kielwasser, die jeden Augenblick entdeckt werden kann.«
Hultin wirkte ein wenig angeschlagen von zwei dermaßen scharfsinnigen Einwänden gegen sein Szenario. Er betrachtete seine Kontrahenten und konterte: »Andererseits gab es in dem, was er tatsächlich tat, ein offensichtliches Risikomoment. Hätte man den Computerexperten elf Minuten früher erwischt, hätten wir ihn geschnappt. Es war alles andere als ein idiotensicherer Plan.«
»Trotzdem sieht es meiner Meinung nach klar danach aus, daß Schweden sein Ziel ist, schon als er zum Flughafen kommt«, hielt Chavez fest. »Aber als er dort ist, zeigt es sich, daß die Maschine ausgebucht ist. Da nimmt sein Plan Form an. Warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Irgendwie macht er einen allein reisenden Passagier nach Arlanda ausfindig, ermordet ihn auf seine übliche genußvolle Art und Weise und nimmt dessen Platz ein, obwohl das ein gewisses, wenn auch begrenztes Risiko beinhaltet. Das Risiko, entdeckt zu werden, steigert ja andererseits den Genuß des Serienmörders.«
»Und worauf läßt das schließen?« fragte Hultin pädagogisch.
»Daß der Wunsch, nach Schweden zu kommen, so stark war, daß er ein Risiko in Kauf nahm, auf das er sich im Normalfall vermutlich nicht eingelassen hätte. Und wenn das so ist, hat er hier ein ganz klares Ziel.«
»Eiskalte Planung in Kombination mit Impulsivität und Genußsucht. Keine ganz leicht zu knackende Nuß ...«
»Gibt es irgendwelche Hinweise auf Schweden in seinem Profil?« wollte Arto Söderstedt mit vorbildlicher Präzision wissen.
»Dem FBI zufolge nicht«, sagte Hultin und blätterte. »Daß er die USA verläßt, paßt überhaupt ziemlich schlecht ins Profil. Die Geschichte sieht folgendermaßen aus: Es begann vor zwanzig Jahren in Kentucky, wo Opfer gefunden wurden, die
auf dieselbe grausige Art und Weise umgebracht worden waren. Die Welle breitete sich in den Mittleren Westen aus. In den Medien kam die Sache ganz groß raus, und bald lief der unbekannte Täter unter dem Namen The Kentucky Killer. Im heutigen tief besorgniserregenden Serienmörderkult ist er eine Legende, und er soll viele Nachwuchstäter inspiriert haben. Binnen vier Jahren schaffte er eine Serie von achtzehn Morden, bevor er abrupt aufhörte. Vor gut einem Jahr setzte eine neue Serie mit genau der gleichen Vorgehensweise ein, diesmal in den nordöstlichen USA. Hassel wurde in dieser neuen Serie sein sechstes Opfer, insgesamt das vierundzwanzigste. Das vierundzwanzigste bekannte Opfer, sollte man vielleicht hinzufügen.«
»Eine Pause von ... fast fünfzehn Jahren«, dachte Kerstin Holm laut. »Ist es wirklich dieselbe Person und nicht ein ... wie sagt man gleich?«
»Trittbrettfahrer«, sagte Hjelm.
»Das FBI
Weitere Kostenlose Bücher