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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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gewechselt hatten, waren sie vollkommen selbstverständlich auf dem Weg nach Riala in Roslagen, zwischen Äkersberga und Norrtälje. Die Adresse ließ vermuten, daß es sich um ein abgelegenes Waldgrundstück handelte. Was würde sie dort erwarten?
    »Sollen wir es allein durchziehen?« fragte Chavez. Er bekam keine Antwort. Hjelm starrte nur aus dem Fenster.
    »Bist du fit jetzt für das hier?« fragte Chavez etwas schärfer.
    Hjelm wandte sich ihm zu. Seine Miene war genauso ausdruckslos wie vorher. Oder war er entschlossen? »Ich bin fit«, sagte er. »Und wir ziehen es allein durch.«
    »Wenn man es rational betrachtet, könnte der Freihafen eine Abrechnung innerhalb des Drogenmilieus gewesen sein. Und in dem Fall könnte da eine ganze Menge Mist auf uns zukommen in Riala. Gallanos Hütte könnte beispielsweise eine Zentrale für sein neues Drogenyndikat sein.«
    »Und warum dann den Wagen poliert im Freihafen stehenlassen?«
    »Vielleicht war ja er die andere Leiche, die im Wagen. Unsere unbekannte Leiche könnte in ausländischer Kumpan gewesen sein. Vielleicht war er überflüssig und wurden aus dem Verkehr gezogen. Aber die Hütte könnte scharf bewacht sein.«
    »Das könnte sein, rein rational betrachtet«, sagte Hjelm. »Aber laß uns ganz irrational sein. Hier hast du einen Zettel und einen Stift, und ich nehm auch einen Zettel und einen Stift, und dann schreiben wir auf, was wir glauben, was uns da oben erwartet, falten die Zettel zusammen und stecken sie in die Tasche. Und hinterher verglichen wir.«
    Chavez lachte und schrieb. Hjelm war wieder da.
    Sie steckten die Zettel in die Tasche.
    Dann verschwand Hjelm wieder. Sein Blick verlor sich im nicht enden wollenden Regen.
    Die Vaterschaft. Wie unglaubich leicht es doch war, unheilbare Wunden zuzufügen. Ein flüchtiges Wort, ein Augenblick der Gleichgültigkeit, ein zu fester Griff um die Oberarme, Forderungen, Forderungslosigkeit. Eine zerrüttete Beziehung – was ist besser: Schweigen, ständiger Streit, Scheidung? Die Eishölle, in die Laban Hassel für immer eingefroren sein sollte? Oder die glühend heiße, funkensprühende, wahnsinnige Streithölle? Im letzten Sommer, die Machtmorde, die Trennung – wie hatte ihre Abwesenheit die Kinder in ihrem empfindlichsten Alter beeinflußt? Und wieviel war vererbt? Die Fahne des Biologismus wehte tiumphierend über dem zwanzigsten Jahrhundert. Es schien keine Rolle mehr zu spielen, was einem widerfuhr, alles war in den Genen programmiert. Das hätte Paul Hjelm trösten sollen: Vielleicht war es überhaupt nicht seine Schuld, daß sein Sohn Drogenhändler aufsuchte, vielleicht gab es ein Süchtgen, das jegliche Erziehung außer Kraft setzte. Er weigerte sich, daran zu glauben. Auf irgendeine Weise war es seine Schuld, aber auf welche? Was zum Teufel war es gewesen? Daß er keine Windeln wechseln konnte, ohne sich zu übergeben? Daß er eine ziemliche Chauvischiene gefahren war? Daß er Polizist war? Was zum Teufel war es gewesen?
    Er wußte, daß es darauf nicht nur eine Antwort gab. Das war der Vorteil bei seinem Job. Eine Antwort, ein Schuldiger. Das Gesichtsfeld schrumpfte. Alles Vieldeutige und Komplizierte wurde ausgegrenzt.
    Es regnete in Strömen.
    Zwei Jäger waren auf dem Weg stadtauswärts auf Norrtäljevägen.
    Zwei Zettel brannten in zwei Taschen.
    Riala hatte ein Zentrum, ein kleines Zentrum, aber der Ort zog sich über ein großes Areal in dichtem Nadelwald hin, und die Karte trieb sie immer weiter vom Zentrum weg. Schließlich war der Weg nur noch ein Viehpfad durch den Urwald.
    »Halt hier an«, sagte Hjelm mit dem Blick auf das detaillierte Kartenbuch der Polizei.
    Chavez hielt den Wagen an.
    »Noch ungefähr zweihundert Meter. Den Hügel rauf und dann rechts. Es liegt völlig einsam.«
    Chavez nickte, holte seine Dienstwaffe heraus, checkte sie und steckte sie zurück in das Achselhalfter. »Riskieren wir es, den Wagen offenzulassen?« feixte er.
    Hjelm lächelte schwach und stürzte sich in den strömenden Regen.
    Es war schon nach fünf Uhr. Die Regenwolken bekamen Unterstützung von der beginnenden Dämmerung; der Wald lag in dichter Dunkelheit.
    Leicht gebückt liefen sie durch das herbstliche Unwetter. Die Baumkronen tanzten über ihren Köpfen und ließen reichlich Nadeln fallen, die mit dem Regen in ihren Haaren hängenblieben. Ein Blitz erleuchtete den Wald mit durchdringender Klarheit. Während des Bruchteils einer Sekunde hoben sich die Baumstämme voneinander ab; als nur wenige

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