Böses Blut
er die Blätter sortiert, stand auf, ergriff einen Filzschreiber und begann. »Also«, sagte er neutral und zeichnete Vierecke und Pfeile. »Um 8 Uhr 10 am dritten September kommt der Kentuckymörder in Stockholm an, unter dem Namen Edwin Reynolds, nachdem er in der Nacht den Literaturkritiker Lars–Erik Hassel auf dem Flughafen Newark bei New York ermordet hat. Nach der Ankunft muß er sich ziemlich umgehend nach Riala in Roslagen begeben haben; der Grad der Verwesung des Körpers des Drogendealers Andreas Gallano läßt vermuten, daß er vor einer guten Woche ermordet wurde, was ziemlich genau mit der Ankunft des Kentuckymörders in Schweden übereinstimmt. Andreas Gallano war aus Hall geflohen und hatte sich offenbar in einer Hütte verschanzt, die, über diverse Strohmänner, dem Steuerflüchtling Robert Arkaius gehört. Arkaius war vorübergehend der Geliebte von Gallanos Mutter. Was in der Hütte im einzelnen geschehen ist, wissen wir nicht, außer daß der Kentuckymörder Gallano mit den bewährten Methoden umgebracht hat. Es gibt Anlaß zu der Annahme, daß er anschließend eine gute Woche dort gewohnt hat, mit einer immer stärker stinkenden Leiche im Keller. Daß er sich fast unmittelbar in ein so perfektes Versteck begeben hat, deutet auf frühere Kontakte zu Gallano oder zu seinem Drogensyndikat hin, was genau überprüft werden muß. Was passierte dann? Jetzt wird es kompliziert. Gallanos beiger Saab wird in der Nähe des Tatorts eines Doppelmords gefunden. Er kann dort schon längere Zeit gestanden haben, aber momentan deutet alles darauf hin, daß der Kentuckymörder vorgestern nacht, also in der Nacht zum 12. September, mit Gallanos Wagen zum Freihafen gefahren ist und dort zwei weitere Menschen ermordet hat, zunächst einen bisher nicht identifizierten Mann, den wir nach amerikanischem Muster John Doe nennen, mit vier Schüssen ins Herz, dann den dreiunddreißigjährigen Angestellten im Außenministerium Eric Lindberger mit den gewohnten zwei Zangen. Zur gleichen Zeit, als Hjelm und Chavez Gallano entdeckten, wurde Lindbergers Leiche im Lidingöer Segelklub gefunden, und zwar von dem pensionierten Direktor Johannes Hertzwall. Eric Lindberger hat die gleichen Vampirbisse am Hals wie Gallano und Hassel. Qvarfordts vorläufige Untersuchung hat ergeben, daß er ungefähr zum gleichen Zeitpunkt starb wie unser John Doe, also vor knapp vierundzwanzig Stunden, und der Segelklub liegt ziemlich nah beim Freihafen. Es ist also äußerst wahrscheinlich, daß Eric Lindberger der Tote ist, der nach Zeugenaussage um halb drei Uhr nachts von einem Mann mit Strumpfmaske in einem etwa zehn Jahre alten Volvo Kombi mit einer Autonummer, die mit B anfängt, verstaut wurde.«
Hultin machte eine Pause und sah sich um. Die Schüler saßen kerzengerade da und fixierten die sich grauenhaft ausdehnende Zeichnung auf dem Flipchart. Hultin fuhr fort: »Folgendes Szenario wäre möglich: Der Kentuckymörder fährt zum Freihafen, um zwei wahrscheinlich genauestens geplante Morde zu begehen. Er fährt mit Gallanos Wagen dorthin, hat aber irgendwo noch einen anderen stehen. Er erledigt seine Vorhaben in einem verlassenen Kellerloch, wickelt die Opfer in Decken und ist dabei, sie in den anderen Wagen zu laden, als er von einer Truppe wahrscheinlich betrunkener Juristen auf Abwegen überrascht wird. Er bekommt also nur eine Leiche, Lindberger, in den Kofferraum. Die andere, unser fünfundzwanzigjähriger John Doe, bleibt liegen. Überzeugt davon, daß sein Wagen der Polizei gemeldet wird, meint er, verdammt schnell das Weite suchen zu müssen, rast nach Lidingö, wirft sein Opfer ein bißchen achtlos ins Wasser und verduftet.«
»Dann setzt du voraus«, sagte Gunnar Nyberg, »daß der Einbruch im Lager von LinkCoop nichts mit der Sache zu tun hat.«
»Ich bringe einen mißglückten Einbruch in ein Warenlager einfach nicht unter. Hat jemand eine Idee? Nicht? Nein, ich glaube, der Einbruch ist für uns ohne Bedeutung. Eine Möglichkeit wäre allerdings, daß der Einbruch mißglückt ist, weil die Diebe ein bedeutend schlimmeres Verbrechen beobachteten und abgehauen sind.«
»Oder vielleicht so«, sagte Kerstin Holm auf ihre nachdenkliche Art. »Du hast wahrscheinlich recht damit, daß sein Vorgehen gut geplant war, aber nur im Falle Lindbergers. Der Arme bekam ja tatsächlich die Zangen im Hals zu spüren. Aber wenn der Kentuckymörder nun auch hinter den Herzschüssen steckt, dann ist es das allererste Mal, daß er sein Muster
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