Boeses mit Boesem
Labyrinth aus Einbahnstraßen und Polizeikontrollpunkten würde mir genug Zeit verschaffen, Emerson einzuholen, bevor er verschwand.
Zwischen meinem Parkplatz und Emersons Bürogebäude lag ein kleiner Park, und so setzte ich mich auf eine Bank und wartete. Ich war schon öfter in diesen Straßen unterwegs gewesen. Auf der Südseite des Platzes lag das New Yorker Familiengericht. Der Großteil meiner Scheidungsfälle wurde zwischen den Anwälten geregelt; die neuen Gesetze verlangten nur »eindeutige Beweise« für Ehebruch, und diese |299| konnte ein Richter ohne Verhandlung abzeichnen. Das war ein Schlupfloch für die ehrbaren Bürger, die die Peinlichkeit vermeiden wollten, die wir den Ältesten zufolge alle verdient hatten. Aber manchmal war ein Paar so wütend und selbstzerstörerisch, dass es ein Gericht brauchte, das ihm sagte, wie es sich voneinander verabschieden sollte. In diesen Fällen landete ich hier und drehte vor dem Gerichtssaal Däumchen.
Gegen drei verließ Emerson sein Büro und ging zum Parkplatz. Ich rannte zu meinem Auto und war zurück, bevor er losfuhr. Statt in südlicher Richtung zur Brooklyn Bridge und nach Hause zu fahren, wandte er sich nach Osten und fuhr in mein Revier in der Lower East Side. Er stellte sich auf einen Parkplatz hinter ein Tätowierstudio und wartete.
Ich wartete mit ihm. Emerson stand etwa zehn Minuten da, und dann bog ein anderer Wagen, die braune Limousine einer Bundesbehörde, auf den Parkplatz ein. Der zweite Wagen hielt mit der Fahrerseite dicht neben Emerson. Ich sah, wie Emerson einen braunen Umschlag in eine stark beringte, babyhafte Patschhand schob, die sich aus dem anderen Fenster reckte. Danach fuhren die beiden Wagen getrennt davon, ohne Zeit für Small Talk zu verschwenden.
Ich notierte das Nummernschild des anderen Wagens, beschloss aber, an Emerson dranzubleiben. Er fuhr zu seinem Büro zurück und rührte sich erst wieder um sechs, als er sich der Armee von Pendlern anschloss, die nach Brooklyn fluteten.
Emerson lebte in einem Stadthaus, das nach Geld aussah und sonst nach nicht viel. Ich hatte Glück und fand einen Parkplatz nicht weit die Straße hinunter. In einer Hinsicht war seine Heimkehr wie die jedes anderen Familienvaters: Sein Töchterchen – ein engelhaftes Kleinkind mit blondem Lockenschopf – lief ihm entgegen. Anders als bei den meisten anderen Vätern kam aber ein groß gewachsener Mann aus dem Haus, sobald Emerson hineinging. Der Mann war |300| Ende vierzig und trug einen angegrauten Bürstenhaarschnitt und eine blaue Bomberjacke, die seine kugelsichere Weste warm hielt. Emerson war wie Stonebridge in der mittleren Hierarchieebene einer Bundesbehörde beschäftigt und erhielt wie dieser zusammen mit seiner Familie Personenschutz auf einer mittleren Schutzstufe. Ich brauchte mein Fernglas nicht, um zu wissen, dass das Logo auf der Jacke zur Sicherheitsfirma Titan gehörte.
Ich duckte mich, da ich befürchtete, der Leibwächter würde die Straße mustern. Stattdessen trat er zwei Schritte von der Haustür weg und holte ein Päckchen Zigaretten aus seiner Brusttasche. Er schien nur auf seine Sucht konzentriert zu sein, aber ich blieb geduckt, falls er zufällig doch seinen Job tun sollte.
Der Leibwächter warf seine Zigarette in einen Eimer und blieb draußen auf der Vortreppe stehen. Ich verlegte meine Aufmerksamkeit auf die glückliche Familienszene, die sich bereits abspulte. Die Emersons hatten ihren Esszimmertisch vor ein großes Erkerfenster im ersten Stock gestellt. Sie ließen die Chenillevorhänge jederzeit offen: eine Familie, die nichts zu verbergen oder zumindest nichts zu befürchten hatte. Im Moment malte der kleine Engel ein Bild. Dad half mit. Gelegentlich warf er seiner Frau einen liebevollen Blick zu, die, nach der Schürze zu schließen, ihre Zeit zwischen Kochen und dem Begutachten des Kunstwerks aufteilte. Sie war eine langbeinige Blondine, die ein schlichtes blaues Kleid, viele Perlen und ein glückliches Lächeln zur Schau trug.
Aus der Ferne sah Emersons Frau wie die Art von Ehefrau aus, die die Anhänger der Erweckungsbewegung en gros im Stepford-Katalog bestellten. Sie hegten die Vorstellung, dass eine Frau ein hübsches, anspruchsloses Ding sein sollte, wie ein Seestück eines unbedeutenden Künstlers; ein Gemälde, das mit der Tapete verschmolz, wenn man nicht in der Stimmung dafür war. Ich bezweifelte allerdings, dass die Wirklichkeit |301| so aussah, bei Mrs Emerson genauso wenig wie bei den meisten
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