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Boeses mit Boesem

Boeses mit Boesem

Titel: Boeses mit Boesem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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Glanz einem professionellen Standard und sogar die Tapete sah neu aus. Ich konnte den hier drinnen präsentierten wohlhabenden Stolz nicht mit der gleichgültigen Schäbigkeit des Äußeren in Einklang bringen.
    Die Frau hinter dem Empfangstisch machte mich nur noch misstrauischer. Sie war alt, aber nicht gebrechlich, eine kleine Frau, die einem den Eindruck vermittelte, dass sie früher größer gewesen war. Sie hatte nicht diese professionelle Müdigkeit, die Menschen im Dienstleistungsbereich genauso heimsucht wie eine Staublunge den Bergmann. Sie empfing mich nicht mit einem beflissenen Verkäuferlächeln, sondern musterte mich prüfend.
    »Entschuldigen Sie, ich   …«
    »Ich weiß, warum Sie hier sind, Mr Strange.«
    Ihre intelligenten braunen Augen zuckten ein bisschen zusammen, als ich nach meiner Pistole griff. Es war eine derart automatische Reaktion, dass ich einen Moment brauchte, um zu merken, was ich da tat.
    |368| »Sorry«, sagte ich, ließ die Hand aber am Griff. »Sind wir uns schon einmal begegnet.«
    »Nein, Mr Strange«, antwortete die Frau. »Aber hier weiß jeder, wer Sie sind.«
    Die Wortwahl der Frau in Verbindung mit der widersprüchlichen Ausstattung des Motels machte mir klar, in was für einem Laden ich mich befand. Das Excelsior war ein geheimer Unterschlupf für den
Kreuzzug der Liebe
.
    »Ich bin Mrs Brown«, sagte die Frau.
    »Das hatte ich mir gedacht«, antwortete ich und zeigte auf das Namensschild aus Messing, das auf dem Empfangstisch stand. Ich wünschte, der Rest von Mrs Browns Rede hätte ebenfalls Untertitel. Es war nicht leicht, sie zu durchschauen.
    »Suchen Sie Iris, Mr Strange?«, fragte Mrs Brown. »Ich bin froh, dass Sie den Anstand hatten, hier nachzufragen, statt gleich zu ihrem Zimmer zu gehen.«
    »Ich weiß nicht, welches ihr Zimmer ist, und es handelt sich um eine Art Notfall.«
    Ich hatte zwar nicht erwartet, dass Mrs Brown in Panik geraten würde, aber es überraschte mich, wie wenig Wirkung das Wort »Notfall« auf sie hatte.
    »Betrifft der Iris selbst?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Es wurden Drohungen von einem Mann geäußert, der sie wahr machen könnte.«
    »Ich habe Iris seit drei Tagen nicht mehr gesehen. Das ist nichts Ungewöhnliches«, fuhr sie fort, als sie sah, wie das Blut in meinem Gesicht sich ein neues Zuhause suchte. »Sie ist ein sehr unabhängiger Mensch.«
    Die hatten sie. Ob nun der Korinther oder Fisher Partners spielte keine Rolle; das herauszufinden hatte Iris selbst mir geholfen. Ich hatte keinen Beweis für meine Schlussfolgerung und das gestattete mir vielleicht, sie so lange abzuleugnen, wie ich vor dem walnussgetäfelten Empfang stand.
    Mrs Brown biss sich auf die Lippe. Ich spürte, dass das |369| ein Zeichen großer Sorge war, wahrscheinlich dadurch ausgelöst, dass mein Gesicht wohl einem schweren Zugunfall glich.
    »Ich muss ihr Zimmer sehen.«
    Mrs Brown führte mich zu Zimmer fünf, schloss die Tür auf und ging wortlos weg. Was immer ich dort drin entdecken würde, sie war noch nicht dafür bereit.
    Als ich hineinsah, merkte ich, wie sehr ich hoffte, dass Iris dem Zimmer ihren persönlichen Stempel aufgedrückt hatte. Ich konnte die ewigen Hotelzimmer nicht mehr sehen, weder von innen noch durch eine Linse aus der Ferne. Ich hatte es satt, zerwühlte Betten und ramponierte Nachttische nach Hinweisen auf ein schlechtes Urteilsvermögen und Charakterschwäche abzusuchen. Ich hatte es satt, Leute zu jagen, von denen ich wusste, dass sie nicht da sein würden.
    Der Schrank war voller Kleider einer Frau, die zu viel Klasse hatte, um hier abzusteigen. Die Schuhe standen unter den Kleidern und die Accessoires lagen in einem Kästchen, das auf dem Schreibtisch gegenüber dem Bett stand. Ich ging die kleinen Teakschubladen durch – sie waren mit einem asiatischen Intarsienmuster verziert, das ich nicht kannte   –, stieß aber nur auf Schmuck.
    Das Badezimmer war in jedem Sinne des Wortes sauber. Meine Suche endete, wie sie begonnen hatte: Ich stand in der Mitte eines Zimmers, das keine Antworten barg. Ich betrachtete die Fußbodenleisten und erwog, mir die Hände schmutzig zu machen. Mrs Brown würde das nicht gefallen und genau aus diesem Grund hätte Iris das Zimmer nicht aufgerissen.
    Auf dem Nachttisch stand ein Foto von Iris und Bruder Isaiah. Es kam aus einer fernen Vergangenheit: als sie noch ein Junkie und er noch am Leben gewesen war. Den Hintergrund bildete ein Gemeindesaal: Menschen bei einem geselligen

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