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Boeses mit Boesem

Boeses mit Boesem

Titel: Boeses mit Boesem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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vor?«
    Ich hatte auf dem Bildschirm keine Anklagepunkte gesehen. Nach dem Blick des Jungen zu schließen, wusste er es auch nicht. Jugendliche Unsicherheit ergriff ihn: Er wurde sich all der Augenpaare bewusst, die ihn anstarrten und hinter denen sich vielleicht Gelächter verbarg. Sein blasses Gesicht lief rot an. »Kommen Sie jetzt mit.«
    »Hören Sie«, sagte seine Freundin. »Wir sind erst gestern mit dem Flugzeug eingetroffen. Wie kann er da der Mann sein, den Sie suchen? Sie haben sich geirrt   …«
    In dem beinahe gänzlich stillen Diner klang das Geräusch lauter als ein Gewehrschuss. Der Junge schlug der Frau mit einem fast schon spastischen Zucken den Handrücken ins Gesicht. Alle, ich selbst eingeschlossen, waren bestürzt: Mrs Rose, die anderen Gäste, das Pärchen, die Söhne Davids und sogar der blonde Junge selbst war ein bisschen erschrocken über das, was seine Hand getan hatte. Er hatte sich ohnehin schon gedemütigt gefühlt, und in der Öffentlichkeit von einer Frau vorgeführt zu werden, die sich ihm, wie er gelernt hatte, eigentlich unterordnen sollte, war mehr, als er ertrug. Die Frau weinte weder noch hielt sie sich die Hände vors Gesicht oder schrie. Sie starrte den Jungen einfach nur mit offenem Mund an, noch immer ungläubig, auch wenn ihre Wange es besser wusste. Ich spürte Roses Augen auf meinem Rücken. |101| Sie wollte, dass der große Held des Starlight-Massakers sein Comeback feierte. Es spielte keine Rolle, dass der Junge eine Maschinenpistole hatte und dass sein verletzter Stolz ihn schon so weit getrieben hatte, dass jede weitere Provokation ihn vielleicht veranlassen würde, sie zu benutzen. Es spielte keine Rolle, dass er vier Freunde hatte, die ihn unterstützen würden, weil er einer der ihren war, was auch immer sie von seinem Verhalten hielten. Es spielte keine Rolle, dass der Angriff auf einen Sohn Davids als terroristischer Akt gewertet würde, genau wie jeder Angriff auf einen Staatsvertreter. Ich schämte mich dessen, was im Vorjahr geschehen war, so sehr, dass ich tatsächlich erwog, das Blödeste zu tun, was ich in meinem dummen Leben, das dann auch nicht mehr lange währen würde, je getan hatte.
    Der Captain berührte den Jungen an der Schulter, doch der schüttelte ihn ab.
    »Komm schon«, sagte der junge Captain. »Wir sollen die Touristen in Ruhe lassen, hast du das vergessen?«
    Der Junge löste die Augen vom Tisch und starrte seinen Vorgesetzten hasserfüllt an.
    »Gehen wir.«
    Er wandte sich wieder dem Paar zu und im ersten Augenblick sah es so aus, als würde er sich nicht von der Stelle rühren. »Sie sollten lernen, Ihre Hure im Zaum zu halten«, sagte er zu dem Mann. »Ihr loses Mundwerk wird Sie noch in Schwierigkeiten bringen.«
    Dann marschierte er aus dem Diner, wobei er die Tür mit einem Schlag seiner Handfläche aufstieß. Die anderen Söhne Davids folgten ihm.
    Es herrschte Stille. Selbst die Frau, die jetzt so heftig weinte, dass die Schluchzer ihren Körper schüttelten, tat es lautlos. Ihr Freund hielt sie an sich gedrückt, benommen vor Schreck. Ich fing seinen Blick auf und wir teilten unsere Machtlosigkeit wie gebrochenes Brot. Ein Gast, ich werde niemals wissen |102| welcher, nahm seine Gabel wieder in die Hand. Ein anderer folgte seinem Beispiel und bald hörte man die Geräusche von Essen und Trinken. Die Touristen waren geschockter als die Einheimischen, aber nicht weil wir daran gewöhnt waren. Wir wussten etwas, was sie nicht wussten: So etwas passierte nicht in Amerika, was auch immer unsere Augen uns vorlogen.
    Rose ließ die Jukebox laufen. »Strange Fruit« ertönte. Keiner sagte ein Wort.

|103| 5
    Ich war wach. Ich saß auf dem Stuhl hinter meinem Schreibtisch. In der Hand hielt ich meine Pistole, die auf die Tür gerichtet war. Es war früh am Morgen.
    Ich hatte keine Ahnung, wie ich dorthin gekommen war. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, aber in meinem Kopf war ein schwarzes Loch, eine Leerstelle in meiner Erinnerung. Ich wusste noch, dass ich in einem italienischen Restaurant ein paar Straßen weiter nördlich Lasagne gegessen hatte. Ich erinnerte mich, dass ich die Nachrichten angestellt, mich hingesetzt und das Tagebuch angeschaut hatte. Ich erinnerte mich, dass ich mir einen Drink eingeschenkt hatte. Beim Rest tappte ich im Dunkeln.
    Isaacs Tagebuch lag auf meinem Schreibtisch. Daneben standen ein Glas Scotch und die Flasche, aus der der Whisky stammte. Ich hatte sie am Abend gekauft und sie war einen Fingertief

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