Boeses mit Boesem
öffentlichen Lautsprechersystem erklang eine Automatenstimme, die mich aufforderte, nach Verdächtigem Ausschau zu halten.
|160| Ich nahm den Ausgang zur Forty-second Street und bemühte mich, nicht schneller zu gehen als der durchschnittliche Angestellte, dem ich ähnelte. Das Licht der Nachmittagssonne hatte mich in die Wirklichkeit zurückgeholt und ich begann den mühsamen Prozess, mich selbst davon zu überzeugen, dass Jack und Cal unrecht hatten.
Ich ging ohne besonderes Ziel auf der Lexington nach Süden. Ich ging gerne zu Fuß, wenn ich an einem zähen Problem arbeitete. Die Bewegung brachte mein Gehirn auf Touren und sorgte dafür, dass ich konzentriert blieb. Aber um das Knäuel zu entwirren, das man mir eben in den Schoß geworfen hatte, würde ich halb Manhattan durchwandern müssen.
Was Cal gesagt hatte, war nur in schlechten Filmen und Groschenromanen möglich. Um Hunderte von Menschen verschwinden zu lassen, brauchte man Tausende von Komplizen. Erst einmal musste jemand entführt werden, dann musste man ihn dorthin transportieren, wo er gefangen gehalten werden sollte, und dort bewachen. Man würde einen Verwaltungsapparat aufbauen müssen und Ankäufe, Gehälter und Ausgaben würden Spuren auf Papier hinterlassen. Die Menschen, die in die Sache verwickelt waren, durften niemals vor ihren Freundinnen damit angeben, niemals den Kampf mit ihrem Gewissen verlieren oder versuchen, die Geschichte zu verkaufen. Die inländische Presse wäre vielleicht zu eingeschüchtert, um die Story zu bringen, aber ein ausländisches Medienorgan würde für einen derart explosiven Knüller die eigene Mutter verkaufen.
Doch selbst wenn das Unmögliche geschah und alle den Mund hielten, würde vollkommene Geheimhaltung der ganzen Idee zuwiderlaufen. Wo Regierungen bisher so etwas getan hatten, hatten die Leute gewusst, wer ihren Bruder nach Sibirien geschickt oder ihren Vater über dem Ozean aus einem Helikopter geworfen hatte. Sie hatten gewusst, wer ihre Verwandten in ein Gebäude gebracht hatte, aus dem sie niemals |161| zurückkehrten. Es ergab ja keinen Sinn, die Menschen zu terrorisieren, wenn man ihnen nicht sagte, vor wem sie Angst haben mussten.
Als ich die Fortieth Street überquerte, wusste ich, dass jemand mir folgte. Das Gefühl ist schwer zu erklären, es ist eher eine Summe von Instinkten als ein einzelner Gedanke. Die meisten Menschen, die in diesem Land hier lebten, hatten das Glück, gefährliche Bestien – der zweibeinigen wie der vierbeinigen Art – nur in den Abendnachrichten zu sehen. Sie brauchten diese älteren, dunkleren Instinkte nicht, die tief in unserer Evolutionsgeschichte begraben sind. Für diejenigen unter uns, deren Leben regelmäßig bedroht war, waren sie dagegen unverzichtbar.
Die Bürgersteige der Lexington Avenue waren voll. Es wäre einfach gewesen, eine Zusammenballung von Fußgängern dazu zu benutzen, meinen Verfolger abzuschütteln. Das wäre die sicherste Wahl gewesen, aber es hätte auch eine Menge Fragen unbeantwortet gelassen. Falls ich schon mit meinem Beschatter in der Grand Central Station aufgekreuzt war, wurden nun vielleicht auch Cal und Jack beobachtet. Außerdem musste ich wissen, wer seine Zeit damit verschwendete, mir zu folgen. Das war Teil meiner fortwährenden Bemühungen, die Übersicht über all die Leute zu behalten, die mir übelwollten.
Ich ging weiter Richtung Süden und wartete darauf, dass mein Verfolger einen Fehler machte. Ich kam am Soldiers’, Sailors’, Marines’ and Airmen’s Club vorbei. Das war ein Militärhotel. Ich war nie dort abgestiegen, weil ich selbst aus New York kam, und jetzt würde ich es auch niemals mehr tun. Die Türen waren für die unehrenhaft Entlassenen verschlossen. So lautete die bürokratische Bezeichnung für die Art, wie das Militär mich gelinkt hatte. Man verpasse den wandelnden Verwundeten aus Teheran einfach das Etikett »Persönlichkeitsstörung«, und schon ist man all diese Arztrechnungen |162| los. Ein Licht brannte im zweiten Stock an der Gebäudefassade, zu Ehren der Männer, die ihr Leben für ihr Land gelassen hatten. Wäre ich an jenem Tag in Teheran gestorben, hätte ich meinen Platz unter den anderen gefallenen Helden eingenommen. Man hätte mich auf Denkmälern verehrt und mich beweint, wann immer ein Politiker einen Fototermin brauchte. Stattdessen war ich so schamlos gewesen, mit Verletzungen zu überleben, die man nicht verstand, und für diese Sünde wurde ich rausgeschmissen.
Ein paar
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