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Boeses mit Boesem

Boeses mit Boesem

Titel: Boeses mit Boesem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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Straßenzüge weiter wurde ich von einer schnatternden Schar zwölfjähriger Mädchen aufgehalten, die aus der Yeshiva University strömten. Anfangs war es den amerikanischen Yeshivas ziemlich gut ergangen, da sie von der allgemeinen Großzügigkeit profitierten, mit der alles Jüdische und Religiöse bedacht wurde. In den letzten Jahren hatte die Erweckungsbewegung allerdings begonnen, auf eben dieselbe hinterhältige Art Druck auf diese Schulen und Universitäten auszuüben, die ihren ganzen Umgang mit den Juden kennzeichnete. Sie behaupteten, der richtige Ort für eine Yeshiva sei das Heilige Land. Welchen besseren Ort könne es schließlich geben, das Wort Gottes zu lernen? Die Erweckungsbewegung bot sogar an, dafür zu bezahlen, dass amerikanische Studenten Yeshivas in Israel besuchten. Doch sie stießen unter den amerikanischen Eltern auf wenig Begeisterung für die Idee, ihre Kinder zum Studium der Tora in ein Kriegsgebiet zu schicken.
    Mein Beschatter hatte sich immer noch nicht gezeigt. Er war gut; beinahe gut genug, mich auszutricksen. Bei dem Spaziergang waren keine Komplizen aufgetaucht, mein Verfolger war also vermutlich allein. Es wurde Zeit, ein ruhiges Plätzchen zu finden und mich vorzustellen. Ich würde eine gewisse Abgeschiedenheit brauchen, um dahinterzukommen, warum man mir folgte, und hoffentlich würden dabei so wenig Kugeln wie möglich fliegen.
    |163| Ich bog in die East Thirty-third Street ein. Zu meiner Rechten lag der orangefarbene Steinkoloss der Mormon Thomas Highschool. Etwas zurückliegend von der Straße war die Zufahrt zu einer Laderampe. Ich tat so, als müsste ich einen Anruf entgegennehmen, und blieb dort stehen. In der Ferne wachte das Empire State Building über uns alle. Das Kreuz auf seiner Spitze brannte neonhell. Unter dem Vorwand, dem Lärm der Straße entkommen zu wollen, ging ich in die Gasse, zog meine Pistole und wartete.
    Die Schritte, die mir folgten, erklangen mit dem Stakkato hoher Absätze. Ich war bisher noch nie von einer Frau verfolgt worden, aber das beruhigte mich nicht. Ein Paar Stilettopumps hinderte niemanden daran, den Abzug mit dem Zeigefinger zu betätigen.
    Die Frau bog um die Ecke. Als sie die Pistole sah, blieb sie stehen, schrie aber nicht.
    »Wie schön, dich hier zu treffen«, sagte Iris.

|165|
Die Verschwundenen
     
    Siehe, ich will viele Fischer aussenden, spricht der HERR, die sollen sie fischen; und danach will ich viele Jäger aussenden, die sollen sie fangen auf allen Bergen und auf allen Hügeln und in allen Felsklüften.
     
    – Jeremia, 16, 16

|167| 9
    Neun Jahre zuvor
     
    »Mrs Rasjani, wo ist Ihr Mann?«, fragte ich auf Farsi.
    Die Frau sah zu Boden, statt mir zu antworten. Ihre beiden Kinder – ein Mädchen von etwa vier Jahren und ein zwölfjähriger Junge – hielten sich an ihrem Tschador fest. In diesem Alter war Körperkontakt mit meinen Eltern mir entsetzlich peinlich gewesen, so wie jedes Zeichen von Zuneigung, das hätte verraten können, dass ich noch immer ein Kind war. Der Junge war unterernährt und trug bereits die Narben des Krieges. Er kannte den Luxus der Rebellion nicht, den ich einmal genossen hatte.
    »Mrs Rasjani, wo ist Ihr Mann?«
    Wir befanden uns in der nördlichen Vorstadtregion von Teheran, wo einmal die exklusiven Viertel gelegen hatten. Ich erinnerte mich an Fotos von Villen mit manikürten Gärten hinter eisernen Zäunen. Aber vielleicht dachte ich da auch an Villen in Spanien. Ich war nie hier gewesen, als Teheran noch eine Stadt gewesen war, und es war nicht viel übrig, wovon man auf früher hätte schließen können.
    Das Gebäude, in dem wir uns befanden, hatte aus Wohnungen bestanden, nach ihrer Fläche zu schließen teuren Wohnungen. Die obere Hälfte des Gebäudes war verschwunden, und was übrig geblieben war, war durch Artilleriebeschuss |168| und verirrte Kugeln verunstaltet. Das ehemalige Wohnzimmer, in dem wir standen, war der einzige benutzbare Raum, der geblieben war. Die Schlafzimmerdecke war voller Löcher und das Badezimmer war ein nutzloses Relikt. In dieser Stadt gab es seit langem weder fließendes Wasser noch Sanitäreinrichtungen.
    Die Wohnung gehörte nicht Mrs Rasjani. Zivilisten lernten entweder, ständig in Bewegung zu bleiben, oder sie starben. Man konnte eines Morgens aufwachen und feststellen, dass gerade eine Raketenmannschaft der Pasdaran auf dem Dach Stellung bezog oder dass amerikanische Soldaten das Haus räumten, um es als vorgeschobenen Beobachtungsposten zu

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