Boeses mit Boesem
bald irgendeine Erklärung einfallen lassen müssen, und zwar eine, die weder mich wie einen Verrückten aussehen ließ noch sie in Gefahr brachte.
Iris war noch nicht da und ich hatte keine Ahnung, warum irgendjemand sich hier länger aufhalten sollte. Die Straße war eine gesichtslose Ansammlung von Ladenfronten, wie man sie überall im Land finden konnte: ein Waschsalon, Bodegas an den Straßenecken, eine Buchhaltungsfirma, eine aufgegebene Druckerei und ein Bestattungsunternehmen |245| namens »Gebrüder Andronescu Beerdigungsinstitut«. Der Name kam mir irgendwie bekannt vor. Bevor ich in meinem Gehirn danach fahnden konnte, sah ich, wie ein Finger, der zu einem Arm gehörte, den ich kannte, sich aus einem zerbeulten Kombi reckte. Der Finger krümmte sich einladend und verschwand wieder.
Ich setzte mich auf den Beifahrersitz. »Netter Wagen.«
»Ein Freund hat ihn mir geliehen«, sagte Iris. »Ich rümpfe niemals die Nase über die Geschenke des HERRN.«
Ich schon. Ein sonderbarer Geruch haftete in den Polstern und wurde dadurch, dass er anonym blieb, nicht angenehmer. Ich wollte Iris gerade fragen, was wir hier taten, als mir einfiel, wo ich den Namen Andronescu schon gehört hatte. »Bitte sag mir, dass du nicht dieses Beerdigungsinstitut überwachst.«
Mike Andronescu war ein Zuhälter, Gangster und Menschenschieber, der jede Sorte Verzweifelter wie eine Ware behandelte. Er brachte Menschen rein ins Land und wieder raus und nutzte für beide Richtungen Särge aus seinem Netzwerk von Bestattungsinstituten. Mexikaner kamen nach Norden und Asiaten nach Westen, auch wenn das Land in letzter Zeit weniger verlockend geworden war. Leute hinauszubefördern war ein beinahe ebenso lukratives Geschäft, wie sie hineinzuschmuggeln. In Mexiko waren Abtreibungen immer noch legal und eine wohlhabende Frau würde nicht wie ein ganz normales Mädchen in irgendeiner Gasse verbluten. Der »Gebrüder«-Teil des Firmennamens war nur Marketing und dafür war die Welt dankbar.
»Ich habe noch immer Freunde in den Lasterhöhlen«, sagte Iris. »Dort habe ich mich nach Salda umgehört; ich dachte mir, dass nur verkommene Subjekte einen Mann so foltern würden.«
»Na, da bist du ja an den Richtigen geraten. Du weißt doch bestimmt, zu wem Andronescu Beziehungen hat?«
|246| Iris sah mich verständnislos schmunzelnd an. Sie versuchte, mich zu provozieren, und es gelang ihr.
»Er ist ein Verbündeter des Korinthers. Machst du deine Hausaufgaben eigentlich nie?«
Andronescu gehörte nicht zu etwas so Formalem und Selbstbezogenem wie einer Mafia. Er war einfach nur ein Knotenpunkt im Tauschnetzwerk des Korinthers, dessen Stränge aus wechselseitigen Interessen bestanden und nicht aus in Hinterzimmern abgelegten, blutigen Eiden. In puncto Freundschaft wurde wenig erwartet und sogar noch weniger, wenn es um Loyalität ging.
Ich hatte den Korinther zum Glück nicht mehr gesehen, seit ich letztes Jahr bei den Nachforschungen über Bruder Isaiahs Tod mit ihm zusammengestoßen war. Die schützende Hand des FBI bewirkte, dass ich nicht mehr ganz so viel Zeit in der Gosse verbringen musste, aber trotzdem kam mir das eine oder andere zu Ohren. Der Korinther war in der Stadt und kaufte und verkaufte alles, was Profit versprach. Wer mehr als eine flüchtige Liebe zum eigenen Leben hatte, erwähnte ihn nie direkt, aber man erkannte seine Hand im Anschwellen und Abebben der illegalen Warenströme und Gelüste, genauso, wie man ein Atom an seiner Wirkung auf die Umgebung erkennt. Ich hatte mein Bestes getan, ihm aus dem Weg zu gehen, doch jetzt hatte Iris mich in sein unmittelbares Umfeld gebracht.
»Ich glaube nicht, dass der Korinther irgendwas damit zu tun hat. Keiner hat seinen Namen erwähnt.«
»Niemand erwähnt jemals den Namen des Korinthers, so bleiben die Leute am Leben.«
»Sei doch nicht so melodramatisch, Felix. Er zieht seine Hosen genauso an wie alle anderen Menschen auch.«
»Als du ihn letztes Jahr getroffen hast, hat er gedroht, uns töten zu lassen, und innerhalb von fünf Minuten einen seiner Angestellten zu einem noch viel schlimmeren Schicksal verurteilt. |247| Du musst nur eine einzige Stunde in der Gesellschaft dieses Mannes zubringen, und du siehst Dinge, die dich ins nächste Kloster treiben.«
Iris schenkte mir ein schwaches Lächeln. »Ich frage mich, ob du mich wohl gern im Kloster in Sicherheit wüsstest oder dir nur der Gedanke gefällt, mich in Nonnentracht zu sehen?«
»Wenn der Korinther nichts mit
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