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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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kurz und hielt mir die Packung hin.
    Ich nahm mir eine Zigarette heraus.
    Er reichte mir Feuer und sagte: »Scheißwetter. Sind Sie fremd hier?«
    Ich nickte nur, und er fuhr fort: »Aber nicht nur das Wetter ist scheiße.« Er lächelte und steckte sich eine Zigarette an. Sie wirkte winzig in seinen breiten Händen. Er neigte sich an mein Ohr und flüsterte: »Spielen, Rauchen und Saufen sind Sünden«, und wies mit seinem grauen Kopf in das Restaurant, »aber bei diesen hitzigen Querköpfen fahre ich besser, wenn ich mich hier sehen lasse und mit ihnen sündige.« Er griff zum Bier und sagte: »Prost!«
    Ich nahm mein Glas und trank ihm zu. Der Mann gefiel mir. Er flüsterte mir zu: »Überhaupt zu leben ist schon eine Sünde.« Er grinste vor sich hin. Unaufgefordert stellte die Wirtin ihm einen zweiten Schnaps auf den Tresen. Der Pfarrer lachte mir zu und kippte das Getränk in sich hinein. »So«, sagte er, »jetzt geht es mir schon besser.«
    Vom Winkelzimmer drang lautes Debattieren zu uns.
    »Eine Versammlung?«, fragte ich ihn und deutete in die Richtung des Toilettenpfeils.
    Der Pfarrer blickte mich an. Er hob die schweren Schultern. »Stammtisch, Boßelverein, Jägerschaft, Partei, Landvolk, Schützenverein, kurz gesagt, das alte Upplewarf trifft sich am langen Tisch.«
    Mir kam plötzlich die Idee, die Katze aus dem Sack zu lassen. Warum, das konnte ich mir selbst nicht erklären.
    »Herr Pfarrer, ich bin ein Fremder und habe dennoch eine Verbindung zu Ihrem Dorf, die Sie überraschen wird.« Ich glaubte gesehen zu haben, wie die alte Wirtin ihren Oberkörper kurz vorbeugte.
    Der Pfarrer blickte mich überrascht an. »Wieso?«, fragte er. »Sind Sie kein Vertreter für irgendwelche neuen Dinge für das alte Dorf?« Ich sah die Falten in seinem gutmütigen Gesicht.
    »Seien Sie beruhigt. Mein Name ist Beruto. Ich bin Lehrer am Spranger-Gymnasium, und mein Schüler Enno Warfenknecht, der aus diesem Dorf stammt, hat sich vor meinen Augen erschossen.«
    Ich hatte den Eindruck, dass selbst die Skatspieler für Sekunden die Karten senkten. Der Pfarrer stierte mich mit verkniffenen Augen an.
    »Sie sind Beruto?«, fragte er ungläubig, musterte mich und griff mit seiner Pranke nach meiner Jacke.
    »So ist es«, antwortete ich und bedauerte meine Gesprächigkeit.
    »Gib mir noch einen Korn!«, forderte der Pastor die Wirtin auf und hielt die große Hand mit dem Glas über den Tresen. Die Wirtin goss sein Glas voll. Der Pfarrer trank hastig, dann sagte er: »Uns führt also der gleiche Anlass an den Tresen. Der Junge hat mir viel von Ihnen erzählt. Ich konnte es gut mit Enno, denn er ragte aus unserer abgekapselten Gesellschaft heraus.«
    Ich sagte: »Ich war Zeuge seines Selbstmordes. Vor seiner Freundin und mir hat er sich umgebracht, unerklärlich. Warum, Herr Pfarrer? Kennen Sie den Grund?«
    Ich sah, wie sich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Er schaute geradeaus auf eine Holztafel, auf der ich viele kleine Fotos sah.
    »In Gottes weiser Fügung geschieht für uns Erdenbürger Unerklärliches, was aber nie ohne Sinn sein kann«, sagte er, ohne den starren Blick von der Wand zu nehmen.
    Mir fiel auf, dass die Skatbrüder ihre Karten in den Händen hielten und angestrengt lauschten. Auch der Wirt stierte mit rotem Gesicht auf den Pfarrer, ohne die Hand am Zapfhahn zu bewegen.
    Ich zahlte und drückte dem Pfarrer die Hand. Sie lag kraftvoll um meine und hielt mich für Sekunden fest.
    »Wir sehen uns morgen, wenn Sie Ihres Amtes walten«, sagte ich, verließ den Tresen und sah, dass die Augen der Wirtsleute mir feindlich nachblickten.

4
    Als ich aufwachte, war es neun Uhr. Während ich mich anzog, ließ ich das Radio laufen und bekam nur einen Bruchteil der Nachrichten mit. Ich verließ das Haus, um mir beim Bäcker zwei frische Brötchen zu holen.
    »Sonst noch etwas?«, fragte die Verkäuferin und schaute mich seltsam an. Ich winkte ab und bezahlte. Alle kannten mich gesprächiger.
    Mein Tee gelang mir. Ich kaute lustlos, heftete meinen Blick auf die flackernde Kerze und hielt stille Zwiegespräche mit Anja und Erika. Mir war wohlig und angenehm warm dabei.
    Plötzlich überfiel mich wieder das unerklärliche Gefühl einer drohenden Gefahr, vor der Anja und Erika mich warnen wollten. Zu meiner Überraschung tauchte Enno schemenhaft in meinen Bildern auf. Bleich suchte er meinen Blick und so, als schwebe er, zeigte seine Hand auf den »Dorfkrug« von Upplewarf.
    Erschrocken löschte ich die Kerze.

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