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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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fühlten sich als Entdecker einer küstennahen Idylle.
    »Ein Bier«, sagte ich und betrachtete weiter die Gaststube. Sie war holzvertäfelt, sicherlich in der lobenswerten Absicht der alten Wirtsleute, mit der Zeit zu gehen.
    Die behäbige Wirtsfrau, die plötzlich auftauchte, nahm mich nicht wahr. Mit ihren dicken Fingern setzte sie Schnapsgläser auf den blinkenden Tresen, während sie mit der anderen Hand die Corvitflasche nach unten hielt und in Schwenkbewegungen mehrere Gläser nacheinander füllte, ohne einen Tropfen zu vergießen. Erst dann schaute sie mich an. Ihr Haar war grau und lag im Pagenschnitt um ihr rosiges joviales Gesicht. Ihr Oberkörper war breit und ausladend. Aus einer frischen Bluse lugten ihre dicken Oberarme.
    »Fremd hier?«, fragte sie nur und stellte die Schnapsgläser auf ein Tablett, schob gezapfte Biergläser hinzu und verschwand mit wippendem Hinterteil an die Tische.
    Ich beobachtete sie, wie sie wortlos ihre Fracht absetzte, Striche auf die Deckel zog und mit gekipptem Tablett zu ihrem Mann hinter den Tresen zurückkehrte. Der Wirt blieb wortlos. Auch er war gesetzt, stark und bullig. Seine Frau setzte das Bier vor mir auf den Tresen.
    »Zum Wohle.« Ihre Stimme klang rauchig. »Auf der Durchreise?«, fragte sie.
    »Ja und nein«, antwortete ich, während meine Blicke die vergilbten Bilder streiften. Es waren reproduzierte Fotos alt wirkender Menschen, die in schmalen Rahmen hinter Glas saßen. Ich nahm an, dass dort die lückenlose Generationenfolge der Dorfkrugbesitzer eine Würdigung fand. Der Wirt zapfte unentwegt. Der Ventilator rauschte und versuchte die Qualmschwaden aus dem Raum zu saugen. Die Gaststube winkelte sich und es gelang mir nicht, in die abgeknickte Verlängerung zu schauen, aus der der fröhliche Lärm vieler Stimmen drang. Hinter mir hörte ich »Kontra!«, ein Zeichen für die heile Dörflichkeit.
    Ich verließ den Tresen und folgte dem aufgeklebten Pfeil, unter dem Toilette stand. Im angrenzenden Zimmer saßen vor zusammengerückten Tischen etwa fünfzehn Männer, meist jüngere. Im Vorbeigehen sah ich den kleinen dreieckigen Wimpel, der silberbestickt als Stammtischsymbol von gefüllten Biergläsern umgeben war. Mir nicht verständliche Gesprächsbrocken drangen in den Raum.
    Als sich die Gesichter der Runde mir zuwandten, erstarb die Unterhaltung der Männer, die mit groben, ländlichen Minen mich misstrauisch anschauten. Mich wunderte ihr seltsames Verhalten, und ich folgte dem Pfeil, der mich zur Toilette führte, die auf dem Hof an die Außenwand angebaut war. Ich bemühte mich zu müssen, um vor meinem Gewissen den Eindruck zu verschleiern, dass ich mich als Oberstudienrat aus reiner Neugierde an einem Freitagabend als Lauscher in eine friedliche Dorfkneipe eingeschlichen hatte, weil mein Schüler hier vielleicht viele Stunden seines kurzen Lebens verbracht haben konnte. Der Blick in den Spiegel verriet mir, dass mein Gesicht die Züge tiefen Misstrauens trugen.
    »Das geht zu weit«, sagte ich zu mir und zog mehrmals den Spülzug. Als ich das Eckzimmer wieder betrat, lag schlagartig ein Schweigen im Raum. Ich schritt unbekümmert an der langen Tischreihe vorbei und pfiff leise »La Paloma« vor mich hin, um mich selbst als friedlichen Fremden auszuweisen. Mein Misstrauen war mir unerklärlich.
    Am Tresen stand die Wirtin. Sie stützte sich mit ihren starken Händen ab und schaute mich taxierend an. »Haben Sie schon ein Zimmer?«, fragte sie geschäftstüchtig.
    »Ich wohne in der Stadt«, sagte ich trocken, trank das Glas leer und reichte es ihr. »Noch ein Pils«, sagte ich.
    Ich vernahm den harten Schlag der Tür, drehte mich um und sah einen Riesen mit breiten Schultern, der sich dem Tresen näherte. Sein Gesicht sah bekümmert aus. Sein Haar war so grau wie sein Bart. Er schritt tapsig auf den Hocker neben mir zu. Während er in die Runde blickte, nahm er mit seinem schweren Körper auf dem Stuhl Platz. Die Skatspieler schauten kurz auf, nickten dem Mann freundlich zu, und die Wirtin griff zur Corvitflasche.
    »Wie immer, Herr Pfarrer?«, fragte sie. Sie schien keine Antwort zu erwarten. Der Wirt langte nach einem Glas und zapfte, ohne einen Ton zu sprechen. Ich sah, wie der Schaumrand im Glas hochkroch.
    »Moin«, sagte der Pfarrer zu mir, ohne mich sonderlich anzuschauen. Er hielt seine Zigarettenschachtel in der Hand, zögernd wartete er, bis der klare Schnaps vor ihm stand. Er schüttete sich, ohne abzusetzen, den Corvit in die Kehle, stöhnte

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