Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
Reflex. Gott sei Dank hatte er es nicht auf sie abgesehen.«
Die Mutter beugte sich über ihre Tochter, küsste sie und verabschiedete sich. Sie sagte: »Mein Kind, morgen kommst du wieder nach Hause. Auf Wiedersehen, Herr Lehrer!« Steif verließ sie das Zimmer.
Zu meiner Überraschung ergriff Elke meine Hände und sagte aufgeregt: »Da gab es schon so einiges!« Ihre Augen wurden ganz groß. »Ich bin Enno einmal nachgeschlichen, als er mich nicht treffen wollte. Es war ganz dunkel. Draußen vor dem Moor sah ich, dass sie Zelte aufgebaut hatten, und erkannte Stimmen seiner Freunde, die aus Upplewarf kamen. Als ich mich dem Camp genähert hatte, hörte ich auch Schüsse. Enno wollte den Jagdschein erwerben, und ich dachte, dass sie für den Kurs übten.«
Ich konnte mir aus dem, was Elke vortrug, keinen Reim machen. »Sicherlich, Enno hatte auch Interessen an anderen Dingen. Er wollte sich vielleicht einen kleinen Freiraum vor dir bewahren«, sagte ich, und ich wunderte mich darüber, dass ich sie geduzt hatte.
Elke ließ den Kopf in die Kissen fallen: »Ich weiß es auch nicht, aber Enno trainierte wie besessen. Warum hat er das getan?« Sie schluchzte in sich hinein.
Ich saß mit rotem Kopf vor ihrem Bett.
»Sie alle verhalten sich so sonderbar, mein Vater, meine Mutter – und sie erzählen von den Leuten aus dem Dorf.«
Ich dachte, dass Elke unter den Wirkungen der Medikamente stand. Mich traf es wie ein Schock, als sie hochfuhr, ihre Arme um mich schlang und sich ausweinte. Ich führte meine Hände streichelnd über ihren Rücken, ordnete ihr Haar und ließ sie weinen.
Die Tür wurde geöffnet. Es war die Nachtschwester. Elke legte sich in die Kissen. Ich streichelte ihr Gesicht und verließ das Krankenhaus.
Als ich am Freitagmorgen meine Klasse betrat, wirbelte Hinni bereits zwischen den Bänken herum. Er sprühte vor Ideen und Tatkraft. Ich hatte gerade erst meine Tasche auf das Pult gestellt, als er auf mich zuschoss und wie ein Buchhalter mit Listen vor mir stand.
»Herr Beruto, wir haben hundertachtzig Euro eingesammelt. Der Kranz mit Schleife kostet hundertzehn Euro. Die Gärtnerei liefert ihn am Trauerhaus ab. Die Verkehrsbetriebe haben sich bereit erklärt, uns in Anbetracht der gelegentlichen Klassenfahrten für die restlichen siebzig Euro einen Bus zu stellen.«
Hinni strahlte mich an. Ich bewunderte sein Geschick, Dinge zu managen. Sein Vater lebte als erfolgreicher Grundstücksmakler in unserer Stadt, und ich dachte, dass sein Sohn in seine Fußstapfen treten könnte.
Hinni gab den Ort und die Zeit der Abfahrt des Busses bekannt und legte mir die Kondolenzkarte zur Unterschrift vor. Die Klasse hatte bereits die weiße Seite im schwarz umrandeten Balkenfeld mit Namen gefüllt, und ich fand eine Lücke für meinen Namenszug.
Alles war besprochen. Jetzt noch zu palavern hielt ich für überflüssig. Der Unterricht musste weitergehen. Ich nahm keine Rücksicht, schrieb eine gebrochene, rationale Funktion an die Tafel und ließ die Schülerinnen und Schüler nach Nullstellen, Schnittpunkten, Polen, Lücken, Asymptoten, Extremwerten und Wendepunkten suchen. Gelegentlich schritt ich an die Wandtafel, setzte mit Kreide Hilfslinien in das Koordinatensystem und ließ die Schüler arbeiten.
Ich dachte viel an Elke, die sich jetzt zu Hause vom Schock erholen musste. Ich liebte meinen Beruf, aber an diesem Freitag, vierundzwanzig Stunden vor Ennos Beerdigung, war ich glücklich, als mich das Klingelzeichen vom Unterricht erlöste. Auch meine Schülerinnen und Schüler verließen eilig die Klasse.
Auf dem Weg in das Lehrerzimmer wägte ich ab, ob ich mir zu Hause ein Schnellgericht zubereiten oder wieder im Kaufhaus mein Essen einnehmen sollte.
Der Fußweg durch den Park beruhigte meine Nerven, die frische Luft tat mir gut. In der Cafeteria des Kaufhauses entschied ich mich für den »Seemannsschmaus«. Er bestand aus Labskaus mit Roter Bete, Gewürzgurke und Spiegelei. Da es mir nicht gelingen würde, mir solch ein Gericht selbst zu kochen, genoss ich das Mahl. Was mich störte, war die Unruhe. Eltern besuchten mit lärmenden Kleinkindern die Kaufhausgaststätte. Die Bedienung, getrimmt auf Kassenumsatz, hastete an den Tischen vorbei.
Nach der kräftigen Mahlzeit ging ich gestärkt nach Hause.
Im Briefkasten lag ein Schreiben des Reisebüros. Unsere Buchung der »Finnjet« wurde bestätigt, und aus unserer Rangliste der Ferienhäuser war die Nummer vier zum Zuge gekommen. Ich las nicht ohne
Weitere Kostenlose Bücher