Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
das Modell eines Handelsschiffes, dessen Masten mit vergilbten Segeln nach oben wiesen, wo das Gewölbe der Kirche im Oval den Himmel symbolisch andeuten sollte. Der Aufhängefaden war nicht sichtbar, und so als schwebe die Dreimastbark im Schutze dessen, der alles lenkt, tat sie kund, dass vor Jahren noch viele Bewohner des Dorfes Arbeit, Brot und gelegentlich selbst den Tod auf den Meeren gefunden hatten.
Der Pfarrer stand steif auf der Kanzel. Seine klobigen Hände lagen um das Schnitzwerk.
»Liebe Großeltern, liebe Schwester, lieber Schwager, liebe Trauergemeinde. Für Enno Warfenknecht, der einer von uns war, den wir alle mochten, den wir als einen überragenden Sportler liebten, waren Gottes Weichen gestellt. Er stand kurz vor seinem Abitur und mit etwas Glück vielleicht auch kurz vor der Deutschen Meisterschaft im Zehnkampf. Enno fand Bewunderung, lebte aber bescheiden unter uns und nahm Teil an unserer kleinen Dorfgemeinschaft. Wie einsam muss er sich gefühlt haben, als er sich zu diesem Schritt entschloss, sein hoffnungsvolles Leben hinzuwerfen, ohne sich darüber bewusst geworden zu sein, dass wir alle hinter ihm standen. Was bleibt, das sind nur bittere Fragen. Antworten werden wir nicht finden. Behalten wir ihn deshalb mit geöffneten Herzen in unserer Erinnerung. Liebe Trauergemeinde, schließen wir uns in unserer Unvollkommenheit zusammen und beten für ihn zu unserem Herrn, der alles weiß, alles kennt und alles verzeiht.«
Seine Stimme bebte, als er das Gebet begann und die Kirchbesucher in den ihnen bekannten Text einstimmten.
Ich suchte die Trauergäste nach Elke ab. Mich irritierte es, dass sie weder vorn in den Reihen in der Nähe des Sargs noch irgendwo in den hinteren Bänken an der Beerdigung ihres Freundes teilnahm.
Meine Schüler starrten bewegungslos mit blassen Gesichtern geradeaus auf den Sarg. Ich hörte, wie der Pfarrer sagte: »Wir singen den Psalm ›O Herr, höre mein Klagen‹.« Er nannte die Nummer und Seite im Gesangbuch. Das Schluchzen der Großmutter drang verzweifelt in das Rascheln der Buchseiten. Die Gemeinde fiel mit schleppenden Stimmen in den Gesang des Pfarrers ein, und auch die Orgel versuchte den Rhythmus zu finden.
Während der Pfarrer die Kanzel verließ und mit gebeugtem Oberkörper an den Sarg schritt, suchte ich nach Gründen für das Fernbleiben Elkes. Der Gesang verebbte, traurig erloschen die Stimmen.
»Begleiten wir dich, Enno Warfenknecht, zu deiner letzten Ruhestätte!«, sprach der Pfarrer mit hoch erhobenen Händen.
Die auffallend kräftigen Männer traten vor, gingen in geschlossener Formation an den Sarg und langten mit ihren weiß behandschuhten Fäusten nach den Griffen. Die kleinen Engel setzten sich an die Spitze. In ihren süßen Gesichtern spiegelte sich ein naiver Friede wider.
Die Trauergemeinde zog an uns vorbei. Ich blickte innerlich zerrissen auf den Sarg, in dem Enno lag, und um mich herum heulten die Schülerinnen und Schüler.
Nach und nach leerten sich die Bänke, als sich die Kirchenbesucher dem traurigen Zug anschlossen. Meine Schülerinnen und Schüler waren die Letzten, die sich einreihten und der geöffneten Turmtür entgegenschritten. In der leeren Kirche dröhnten die voll ausgespielten Klänge der Orgel, die sich überschlagend, frohlockend ausbreiteten, als begleiteten sie Ennos Seele auf dem Weg ins große, strahlende Licht, hinter dem Gott Vater thront.
Der Trauerzug folgte dem Plattenweg, der im leichten Winkel abfiel. Der Wind traf die Friedhofsbesucher von hinten, als wolle er sie antreiben und auffordern, das traurige Geschäft schneller hinter sich zu bringen. Vor dem ausgeworfenen Grab endete der Zug. Die Menschen verteilten sich, suchten einen Blickwinkel zum Erdloch, als müssten sie sich davon überzeugen, dass Enno Warfenknecht auch wirklich hier begraben wurde.
Der Himmel blieb grau. Rund um das Grab verteilt, standen weinende Besucher. Der aufgebriste Wind nahm ihnen die Schluchzer von den Lippen, trug sie davon und trocknete ihre Tränen.
Erst jetzt machte ich den Kriminalbeamten aus, der zwischen den weinenden Menschen stand und zusah, wie der Sarg an Leinenbändern im Erdloch verschwand. Meine Schüler und Schülerinnen standen verlegen und fröstelnd zwischen den Trauergästen und trugen Fragen in ihren jungen Gesichtern.
Ein Kollege des Technischen Gymnasiums unserer Stadt näherte sich mir. Sein graues Haar hatte der Wind aufgerichtet. In seinem Gesicht lagen Zweifel. Er drückte mir die Hand
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