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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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sein. Keine Ahnung, warum ich das dachte.
    Und mein nächster Gedanke: Jetzt simst sie es in die ganze Welt, dass ich einen Niesanfall hatte.
    Vielleicht waren nur ein paar Sekunden vergangen. Aber für mich eine gefühlte Ewigkeit, bis endlich jemand wieder das Wort ergriff. Es war das Yogamädchen. Sie hatte blonde lockige Haare und riesige Veilchenaugen. Sie war so schön. Ihr Gesicht ganz ebenmäßig, mit einer schmalen geraden Nase. Ich dagegen hab eine breite, kräftige Nase. Ich hasse
sie und beneide jeden, der so ein zierliches »Stück« hat wie dieses Mädchen.
    »Also«, sagte sie, »ich glaube, wir sollten uns endlich alle mal vorstellen. Ich bin Marcia.«
    Ich lachte dankbar. »Hallo, Marcia!«
    Ein Junge mit unheimlich abstehenden Ohren trat neben Marcia und legte ihr wie ein Geistlicher, der einen Segen spendet, seine Hand auf den Kopf. Marcia saß so gerade, als hätte sie einen Stock verschluckt, die Beine vorbildlich gefaltet, dass ich schon beim Hinsehen ein Ziehen in den Oberschenkeln bekam.
    »Marcia macht den Rekord im Lotussitz, sie kann fünf Stunden so sitzen, ohne dass ihr die Beine einschlafen«, sagte der Junge. »Toll, oder?«
    Ich lächelte, ich nickte. Marcia saß immer noch reglos da.
    »Außerdem ist sie unsere Klassensprecherin«, fügte der Junge hinzu. »Sie hat allerdings nur mit einer Stimme Vorsprung gewonnen. Ich bin der Simon.«
    Er streckte einladend die Hand aus und ich hob den Arm. Noch bevor ich »Hallo, Simon« zu ihm sagen konnte, hatte er meine Finger schon ergriffen und mit einem unglaublich festen Händedruck fast zerquetscht. Ich war so geschockt, dass ich einen hochroten Kopf bekam. Ein paar der Schüler lachten, sie kannten das offenbar.
    »Hallo«, keuchte ich mit letzter Kraft.
    Endlich ließ er meine Hand los. Sie war ganz weiß und gefühllos. Erst nach Sekunden zeigte ein Kribbeln in den Fingerspitzen, dass das Blut wieder zirkulierte. Simon lachte fröhlich. »Hat hoffentlich nicht wehgetan?«
    »Geht so«, murmelte ich gequält, aber irgendwie tapfer.

    »Ich trainiere Karate«, sagte er. »Da fasst man manchmal etwas härter zu. War keine Absicht.«
    »Er kann einen Ziegelstein mit der Handkante durchschlagen«, rief jemand, der sich hinter den anderen versteckte.
    »Aha«, sagte ich. Zugegeben, war nicht gerade sehr geistreich. Aber ich fühlte mich echt komisch, so umringt von lauter fremden Gesichtern, die alle irgendetwas loswerden wollten oder etwas von mir hören.
    Das Mädchen hob ihr Handy und machte ein Foto. Ich merkte es erst, als der Blitz aufleuchtete. »Hey! Naddel! Steck das Ding weg«, rief Simon wütend. »Du weißt, was passiert, wenn du wieder erwischt wirst!«
    Sie wurde also Naddel genannt. Seltsam, wie mochte sie wirklich heißen? Ganz schnell verschwand das Handy in ihrer Jackentasche. Es war eine Jeansjacke, mit Fellfutter. Kaninchen oder Murmeltier oder so was. Ich hatte in einer Illustrierten gesehen, dass so etwas unter reichen Kids gerade in Mode kam.
    »Wie lang ist eigentlich Pause?«, fragte ich nur um irgendetwas zu sagen.
    »Zehn Minuten«, erwiderte ein anderes Mädchen. »In der nächsten Stunde haben wir Bio. Da reden wir gerade über die Risiken von genetisch veränderten Lebensmitteln. Ich kann mir auf der ganzen Welt kein langweiligeres Thema vorstellen. Ich bin übrigens Tilly. Meinen richtigen Namen kennt hier keiner. Das ist wie bei Naddel.«
    »Ich heiß Nadine«, rief Naddel jetzt, »und ich find den Spitznamen echt doof. Aber hier gibt’s Leute, die freuen sich, wenn ich mich darüber ärgere, deshalb ärgere ich mich nicht.«

    Ich dachte: Was sagt sie? Was für Leute meint sie? Und wieso ärgern? Aber weil alle über ihre Bemerkung lachten, lachte ich auch.
    Tilly stellte sich hinter mich und berührte meinen dicken blonden Zopf. »Mann, du hast vielleicht Haare!«, sagte sie. »Die sehen auch aus, als wären sie genetisch verändert. Oder ist so was in Russland normal?«
    Ein paar lachten, aber nicht unfreundlich. Sie fanden das wohl irgendwie nur komisch.
    »Darf ich mal aufmachen?«, fragte Tilly und hielt den Zopf fest.
    »Lieber nicht«, sagte ich. »Ich krieg die Haare immer so schwer wieder zusammen.«
    »Pass auf, dass sie sie dir nicht mal abschneidet«, rief jemand. »Sie leidet nämlich unter hormonell bedingtem Haarausfall.« Das gab wieder einen Lacher.
    Tilly wirbelte empört herum. »Hör du bloß auf, Kaspar. Von dir wollen wir lieber gar nicht reden.« Und sie raunte mir von hinten ins Ohr:

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