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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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Annika! Wir haben gefeiert!«
    Statt einer Antwort hob Annika die Arme über den Kopf und tanzte quer durch den Raum eine Art Samba, zog dann
einem Mädchen das Handtuch weg und mimte damit den Torero; dann kam Nadine, hielt sich die Finger wie Hörner an den Kopf und machte den Stier, der sich auf das rote Tuch stürzt. Tilly wollte sich ausschütten vor Lachen.
    Ich fand das Ganze nur begrenzt komisch. Aber so ist das immer, wenn eine Clique sich amüsiert und man selber nicht dazugehört.
    Ich denke, ich hätte das Ganze auch cool nehmen können, aber irgendwie gelang es mir nicht. Ich habe mir zu sehr gewünscht, eine von ihnen zu sein, und vielleicht wollte ich es zu schnell... Aber wie auch immer: Das konnte alles nicht dafür herhalten, was mit mir passiert ist. Weswegen ich nun hier in dieser Klinik bin …
    Vor dem Eingang zum Speisesaal schnappte ich mir Simon, damit er mir erzählte, was am Wochenende abgegangen war im Internat. Es war nicht wirklich Neugier, ich wollte auf dem gleichen Stand sein wie sie, mich nicht ausgeschlossen fühlen. Mehr war’s ja gar nicht. Aber Simon tat, als würde ich ihn nach seiner persönlichen PIN-Nummer fragen. Er verdrehte die Augen und sagte, ohne mich dabei direkt anzusehen: »Weißt du, es gibt Dinge, die beredet man mit Externen nicht. Und es gibt Fragen, die solltest ausgerechnet du nicht stellen.«
    »Wieso ausgerechnet ich?«, fragte ich verblüfft. Ich begriff einfach nicht, was er meinte.
    Aber dann hob er die Schultern und murmelte. »Tut mir leid, Streberin.« Und schon war er weg und drängte sich durch die Tür in den Speisesaal, als könne er nicht schnell genug von mir wegkommen.
    Ich bleib einfach stehen. Ich ließ die Leute an mir vorüberströmen und wartete darauf, dass Tilly oder Marcia aus
dem Waschraum kämen. Ich wollte mit ihnen zusammen in den Speisesaal Einzug halten, genau wie wir es am Freitag noch gemacht hatten.
    Aber sie bemerkten mich überhaupt nicht oder taten einfach so. Sie gingen eng umschlungen ganz nah an mir vorbei, ohne einen Blick zu mir. So als wäre ich nicht vorhanden. Tilly wisperte Marcia irgendetwas ins Ohr, was die ungemein erheitern musste, weil sie den Kopf zurückwarf und eine Art Wiehern ausstieß, um sich dann sofort die Hand vor den Mund zu halten. Als ich rief: »Hallo, ihr beiden...«, schauten sie kurz in meine Richtung, aber ihre Blicke glitten einfach durch mich hindurch.
    Es war ganz merkwürdig. In dem Augenblick kam ich mir tatsächlich unsichtbar vor. Als existierte ich für die anderen nicht. Natürlich könnte man behaupten, ich hätte mir das nur eingebildet. Das halbe Leben besteht ja schließlich aus Einbildung. Aber ich habe dieses Für-andere-nicht-vorhanden-Sein physisch gespürt, wie ein Schmerz, von dem ich wusste, dass ich ihn nicht aushalten kann. Ich bin einfach zu empfindlich. Meine Mutter hat mich schon immer für ein Sensibelchen gehalten und mir geraten, dass ich mir ein dickeres Fell aneignen soll. Aber wie, bitte schön, macht man das?
    Mir war ganz übel, als ich endlich im Speisesaal stand und merkte, dass fast alle schon ihre Plätze eingenommen hatten.
    Automatisch steuerte ich auf meinen Tisch zu, bis ich plötzlich sah, dass er nur für acht gedeckt war. Und es standen auch nur acht Stühle drumherum. Alle Gläser waren umgedreht, alle meine Leute saßen schon auf ihren Plätzen und taten, als gäbe es mich nicht.

    Für Menschen, die mit einem großen Selbstbewusstsein ausgestattet sind, mag das lächerlich sein. Die können über so etwas vielleicht hinwegsehen. An denen tropft das ab. Aber mich hat es komplett aus der Bahn geworfen. Denn das war ja exakt die Situation, die ich überwunden glaubte. Ich wollte das einfach nicht noch einmal durchleben. Also blieb ich einfach stehen und wartete, dass jemand zu mir hinschaute. Doch alle waren so intensiv mit etwas beschäftigt, niemand nahm Notiz von mir.
    Am Nebentisch saß noch keiner. Ich weiß auch nicht, warum ich das machte, aber ich nahm einfach einen Stuhl und stellte ihn an »meinen« Tisch. Niemand sagte etwas. Dann ging ich noch einmal nach nebenan, tat ein Wasserglas auf den Teller, legte das Besteck dazu und trug alles herüber.
    Tilly saß an der Stirnseite. Ich sagte zu ihr: »Rückst du bitte ein Stück?«
    Sie drehte sich zu mir um. »Rücken?«, fragte sie so verständnislos, als hätte ich in einer fremden Sprache geredet.
    »Ja, damit noch Platz für mich ist.«
    »Heute sitzt du nicht hier«, entgegnete Tilly und

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