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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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redete wieder mit Simon.
    Ich nahm meinen Stuhl und trug ihn ans andere Ende. Da saß Felicitas. Wie immer thronte sie wie eine Prinzessin am Tisch, das Fenster im Rücken.
    »Kann ich mich hierher setzen?«, fragte ich.
    »Wieso denn das?«, knurrte sie. »Wir sind heute nicht dran. Frag die anderen.«
    »Welche anderen denn?« Ich wusste nicht, was das nun wieder sollte.
    »Na, dort.« Sie deutete auf einen der Tische in der übernächsten
Reihe, an dem Annika und Lukas, ein schlaksiger Junge, fast zwei Meter groß, sich schon lümmelten. »Die sollen sich heute um dich kümmern.«
    Ich schaute zu dem Tisch rüber, da gab es auch keinen neunten Platz. »Wieso denn kümmern?«, sagte ich. »Man braucht sich um mich doch nicht zu kümmern.«
    Felicitas strahlte mich an. »Na, umso besser. Dann kommst du ja gut alleine klar.« Und schon wandte sie sich ab und beachtete mich nicht weiter.
    Ich war so verblüfft, so wenig vorbereitet, dass ich wie benommen durch den Speisesaal ging. Ich muss eine komische Figur abgegeben haben: in der einen Hand den Stuhl, den ich an der Lehne gepackt hatte, in der anderen mein Essgeschirr. Irgendwie kam mir kurz der Gedanke, dass mir nur noch ein gestreifter Sträflingsanzug fehlte, um mich zu brandmarken.
    Plötzlich stand ein Junge vor mir, mindestens einen Kopf größer als ich, der mir schon mehrfach in den Pausen drau ßen aufgefallen war, weil er so einen dunklen Teint hatte, olivfarben, dazu pechschwarze Augen und ebenso schwarzes glänzendes Haar, das er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte.
    »Ich glaube, du hast meinen Stuhl«, sagte er freundlich.
    Ich ließ das Teil sofort los. Ich wurde feuerrot. »Ach ja? Ist das deiner?«
    Der Junge deutete auf den Tisch, an dem es nur noch sieben Stühle gab. »Ich sitze immer da«, sagte er.
    »Okay, entschuldige.« Ich hielt ihm auch den Teller und das Besteck hin. Er griff danach.
    »Wieso hast du keinen Platz?«, fragte er.
    Ich zuckte mit den Schultern. Ich weiß nicht, was in dem
Augenblick war, aber ich spürte so ein Summen in meinen Ohren, so ein Sausen, ein unangenehmes Geräusch.
    »Ich soll eigentlich da drüben sitzen, bei meiner Klasse«, erwiderte ich. »Aber irgendwas ist wieder schiefgelaufen. Ich weiß auch nicht.«
    Ich dachte: Jetzt nicht heulen! Das wäre entsetzlich. Wehe, du heulst jetzt, Svetlana. Du bist fast erwachsen. Da heult man nicht mehr.
    »Warte, das haben wir gleich«, sagte der Junge. »Bleib einfach hier stehen und pass auf das Zeug auf, ja?«
    Ich stand also neben dem Stuhl, auf dem er das Gedeck abgestellt hatte. Ich hielt nur irgendwie dämlich eine Serviette in der Hand. Und wartete. Inzwischen wurden schon die Schüsseln durch die Gegend getragen. An diesem Tag gab es Königsberger Klopse in Kapernsoße, mit Kartoffelbrei und Bohnensalat.
    Manche mögen ja keine Kapern, aber mir schmecken sie gut. Ich hatte mich auf das Mittagessen gefreut.
    Der Junge kam zurück, mit einem Stuhl und einem weiteren Gedeck. Irgendwo muss etwas frei gewesen sein.
    »Ich bin Ravi«, sagte er. »Und das dort ist mein Tisch. Wir sind nur sechs Leute. Wir haben noch Platz. Komm einfach mit zu uns. Wir sind ein netter Haufen.«
    So landete ich am Tisch von Ravi. Aus der Neunten.
    Er stellte mir die anderen fünf vor. Dann musste ich meinen Namen sagen und erklären, wieso ich mitten im Schuljahr hier aufgetaucht war. Ich erzählte, so bescheiden wie möglich, dass ich den Sprung von der Realschule aufs Gymnasium geschafft hatte und hier ein Stipendium bekam. Jemand bemerkte: »Ah, genau wie Barbara. Erinnert ihr euch noch an sie?«

    Ich erfuhr, dass es vor zwei Jahren schon einmal ein Mädchen aus der Umgebung geschafft hatte, ein Stipendium für den Erlenhof zu bekommen. »Aber die war nach ein paar Monaten wieder weg«, sagte der Junge.
    »Die wurde weggemobbt«, erklärte jetzt ein Mädchen neben ihm. »Das war eine ganz fiese Nummer. Übrigens war sie in deiner Klasse.«
    Ravi fiel ihr, bevor sie weiterreden konnte, sofort ins Wort.
    »Svetlana passiert das nicht, das seh ich ihr an«, sagte er und prostete mir zu. »Bei uns bist du auf alle Fälle willkommen.«
    Hin und wieder schaute ich verstohlen zu meinen Leuten. Die taten so, als hätten sie mich nie gekannt. Auch wenn Simon, der diesmal mit der Verteilung des Essens dran war, nah an mir vorbeikam mit seinen Schüsseln, beachtete er mich nicht.
    Dafür kümmerte Ravi sich rührend und fürsorglich um mich. Als ich sagte, dass ich Kapern liebe,

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