Boeses Spiel
bearbeitet. Sie leuchteten wie Apfelbäckchen in einer Werbung für Kindersaft.
»Ja?«, sagte ich trotzig. »Was ist?« Ich war auf alles vorbereitet.
Aber es kam ganz anders. Felicitas legte ihre Arme um mich und zog mich an sich. Ich konnte ihr Parfum riechen. Das war auch neu für mich, dass man sich für den Unterricht parfümierte. Aber es war ein feiner, unaufdringlicher Blütenduft, nicht süßlich oder so, bestimmt teuer.
»Es tut mir so leid, wenn du das gestern falsch verstanden hast«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Ich habe erst später darüber nachgedacht, dass das ganz übel bei dir angekommen sein könnte.«
Ich räusperte mich, ich blieb auf der Hut. »Was meinst du denn?«, fragte ich und schob sie von mir.
»Na, was ich gesagt hab. Du in diesem Pulli. Von C&A.
Dass das peinlich ist.« Sie schaute mich an. »So hast du das doch verstanden, oder?«
Ich hob nur die Schultern und machte ein gleichmütiges Gesicht, das immerhin kriegte ich gut hin.
Felicitas fuhr fort. »Dabei bezog sich das überhaupt nicht auf dich oder auf die Sachen, die du trägst!« Sie wurde jetzt lauter, eifriger, ihre Stimme bekam etwas Flehendes. »Ich hatte mich nur plötzlich erinnert, dass ich vergessen hatte, meine Tampons einzustecken, und deshalb musste ich so schnell los. Verstehst du? Ich meinte jemand ganz anderen. Was ich gesagt hab, das galt gar nicht dir! Aber ich konnte es dir nicht mehr erklären.«
Ich war verwirrt. Was redete sie da? Was sollte das? Einen Augenblick lang war ich völlig verblüfft, aber dann verstand ich. Und obwohl mir nun klar war, dass dies ganze Getue hier vor mir eine einzige saudumme Ausrede war, beschloss ich, so zu tun, als glaubte ich ihr. Immerhin konnte man es als eine Art Friedensangebot betrachten.
Sie umarmte mich wieder, sie gab mir einen Kuss. Jedenfalls war es so etwas Ähnliches wie ein Kuss. Ihre Lippen streiften meine Haare. »Du bist mir nicht böse, oder?«
»Natürlich nicht«, erwiderte ich also.
Felicitas lachte. Sie wirkte auf einmal ganz erleichtert.
»Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen«, sagte sie. »Ich musste immer an dich denken und wie du dich wohl fühlst, wenn jemand« - sie lächelte - »so was Gemeines sagt, scheinbar an dich gerichtet.«
»Na ja«, murmelte ich.
»Siehst du!« Jetzt kreischte sie fast. »Es ist dir also schlecht gegangen. Hab ich doch gewusst.«
»Ein bisschen schon«, gab ich zu.
»Aaach!« Felicitas stieß einen langen Seufzer aus, der, wenn ich heute darüber nachdenke, irgendwie etwas Lustvolles hatte. Etwas Hinterhältiges. »Du Arme! Du hast schon genug Probleme und dann hab ich dir auch noch Schwierigkeiten gemacht.«
»Wieso genug Probleme?«, fragte ich misstrauisch. »Was meinst du damit?«
»Na, dass du aus Russland bist, ist ja irgendwie nicht gerade die Visitenkarte, und ich meine, eben noch Realschule und nun musst du hier mitten im Halbjahr ins kalte Wasser springen. Das kann doch gar nicht gut gehen.«
»Vielleicht doch«, sagte ich. Wenn ich überhaupt Selbstbewusstsein habe, dann nährt sich das aus der Tatsache, dass ich weiß, wie gut ich sein kann, wenn ich mich anstrenge. Und meine Leistungen in der Realschule waren hervorragend. In jedem Fach eine Eins, außer in Sport. Ich überlegte, ob ich ihr das mitteilen sollte, aber ich behielt es lieber für mich.
»Jedenfalls wollte ich dir nur sagen, dass du ab heute Mittag mit uns am Tisch sitzt«, sagte Felicitas. »Zu neunt wird es ein bisschen eng, aber Frau Clausen will es so und hat auch gleich noch die bisherige Ordnung etwas verändert. Du sitzt zusammen mit mir und dann noch mit Simon, Tilly, Xenia, Julius, Vanessa... Und wer war es noch? Ach egal. Jedenfalls hoffe ich, dass es dir recht ist. Und du dich nicht gleich wieder beschwerst.«
Ich runzelte die Stirn. »Beschweren? Wieso sollte ich das? Und was meinst du mit ›schon wieder‹?«
Sie musterte mich. Und breitete die Arme aus. »Ach. Vergiss es einfach. Wir sind also Freunde?«
Ich war, gelinde gesagt, von diesem Angebot überrascht,
das kam mir ein bisschen zu plötzlich. Ich meine, was soll das heißen: Wir sind also Freunde!? Freundschaft ist etwas, das langsam entsteht und allmählich wächst, das sehr viel mit Vertrauen und Zuverlässigkeit zu tun hat. Mit Füreinander-da-Sein. Ich meine, man kann doch nicht einfach beschließen: Wir sind ab jetzt Freunde. Das geht höchstens im Kindergartenalter. Was hatte diese Frau denn für ein Verständnis von Freundschaft? Ist
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