Boeses Spiel
immerhin) und einen Computer (den Oleg gebraucht in seiner Firma gekauft hatte). Wir lebten in schöner Umgebung, es gab keine Kriminalität, wie wir sie aus der Ukraine kannten. Alles Dinge, von denen Mama früher nur träumen konnte. Aber sonst? Sie hatte, obwohl sie lauter gute Zeugnisse vorlegen konnte, nicht die Zulassung als Lehrerin bekommen.
Und wir hatten nie genug Geld, um uns die Sachen zu kaufen, die wir wirklich toll fanden. Edle Sachen. Schöne Dinge, dazu reichte es nie …
Marcias Geburtstag also. Es galt, ihr etwas Originelles zu schenken, was nicht viel kostete.
Aber mir fiel einfach nichts ein, je mehr ich grübelte, und je mehr Dinge ich mir überlegte, desto klarer wurde mir, dass das alles nichts war. Mein Vater kam in der Woche vor dem Geburtstag von seiner Tour zurück und er brachte mir einen Muff mit. Aus Weißfuchsfell. Wunderschönes weißes Fell mit grauen und braunen Punkten. Ich hatte mir schon mit zehn Jahren solch einen Muff gewünscht. In manchen Filmen, die ich früher gesehen hatte, besaßen die eleganten Damen so ein wertvolles Teil, eine Pelzrolle, in der man an kalten Wintertagen seine Hände wärmen konnte.
Man trug den Muff an einer seidenen, zu einem dicken Zopf geflochtenen Schnur vor dem Bauch. Mein Muff war innen mit weißer Seide gefüttert und hatte zwei Taschen mit Reißverschluss. Für Geld, Lippenstift, Busfahrkarte oder was immer man brauchte.
Ich konnte es kaum fassen, dass Papa so viel Geld für mich ausgegeben hatte. Ich legte den Muff an mein Gesicht und genoss das seidige weiche Fell. Es war der reinste Luxus …
Das einzig Dumme war nur, dass man damit nicht Fahrrad fahren konnte. Mit einem Weißfuchsmuff muss man auf einem Schlitten sitzen, dick in Wolldecken gepackt, und durch eine verschneite Landschaft sausen. Vorne sitzt der Kutscher, und das Pferdchen, das den Schlitten zieht, hat kleine Glöckchen am Geschirr, die immerzu bimmeln. Der Schnee stiebt nach allen Seiten davon und der Atem des Pferdchens fliegt wie weiße Wölkchen in die eisige, klare Luft.
Ich parfümierte das Fell und benutzte den Muff als Kopfkissen. Legte ihn als Kätzchenersatz auf den Schoß, wenn ich Schularbeiten machte. Der kuschelige Muff war mein Seelentrösterchen. Das einzig Wertvolle, das mir gehörte.
Mein Vater hat mir nie gesagt, wie viel Geld er dafür ausgegeben hat. Vielleicht auch besser...
Ich weiß heute nicht mehr, wieso ich so fest mit einer Einladung von Marcia rechnete. Angesichts all der Zurücksetzung, die ich täglich erfuhr. Vielleicht weil sie einmal nett zu mir gewesen war, oder weil ich es mir so sehr wünschte. Doch am Donnerstag vor dem Fest hatte ich immer noch keine Einladung von Marcia. Ich war sehr aufgeregt, ich wartete darauf, von ihr einen Anruf zu bekommen. Ich schaute dreimal in unserem Briefkasten nach, weil ich mir auch vorstellen konnte, dass sie die Einladung schriftlich schickte.
Erst als der Donnerstag vorüber war, wurde mir klar, dass sie mich nicht dabeihaben wollten.
Ich war verzweifelt, ich hatte das Gefühl, damit einfach nicht leben zu können. Was sollte ich nur tun? Ich hatte mir erhofft, auf solch einer Party das Eis vielleicht zum Schmelzen zu bringen, und so kam mir in der Nacht eine Idee: Ich würde Marcia meinen Muff schenken!
Ein solches Geschenk würde sie so beschämen, dass sie mich doch noch zu ihrer Fete einladen würde.
Mitten in der Nacht schlich ich mich an den Wohnzimmerschrank auf der Suche nach Geschenkpapier und Seidenschleifen.
Liebevoll verpackte ich das schönste Stück, das ich je in meinem Leben besessen hatte, und steckte es in meinen Rucksack. Es tat mir nicht weh, den Muff aus Weißfuchs wegzugeben. Im Gegenteil, der Gedanke, dass ich mir sozusagen die Freundschaft Marcias damit erkaufen würde, erfüllte mich mit Wärme.
Für meine Eltern würde ich mir später eine Ausrede ausdenken,
denn mir war natürlich klar, dass sie davon nichts wissen durften.
Ich wollte Marcia das Geschenk am Freitag, beim Mittagessen, übergeben, das schien mir der günstigste Augenblick. Da würde ich die größte Aufmerksamkeit bekommen. Ich war wahnsinnig aufgeregt. Während des Essens saß ich neben Ravi. Ich saß so, dass ich Marcia die ganze Zeit im Auge hatte. An dem Tag war ich mit der Essensausgabe dran. Ich legte das Päckchen auf meinen Stuhl und machte mich daran, die Suppe auszuteilen. Ich glaube, es war Bohneneintopf. Irgendwie hab ich immer, wenn ich an den Tag denke, den Geschmack von Bohnen und
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