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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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also artig für das schöne Kleid - und nahm mir vor, es auf dem Weg zur Schule in dem Schober, den ich ja kannte, gegen etwas anderes auszutauschen, das ich zuvor in meinem Rucksack verstecken und dort deponieren würde.
    Meine Mutter hatte ja gesagt, dass Papa gleich wieder wegmüsste, dass sie nicht auf das Fest kommen würde, weil er unterwegs war... Aber wundersamerweise war Papa dann doch an dem Tag noch zu Hause! Und er wollte es sich absolut nicht nehmen lassen, mich mit seinem Auto zum Erlenhof zu bringen. Er selber wollte nicht aussteigen, er wollte nur sehen, wie seine Svetlana in dem Kleid, das er tausend Kilometer weit weg gekauft hatte, von ihren Freundinnen umringt und bewundert wurde.
    Er war so furchtbar naiv. Ich liebte ihn dafür und gleichzeitig wünschte ich ihn auf den Mond.
    Was sollte ich nur tun? Vollkommen wehrlos ließ ich alles mit mir geschehen. Meine Mutter kaufte mir goldene Ballerinas dazu und lieh mir ihre Handtasche. Einen ganzen Nachmittag rollte sie meine Haare auf dicke Wickler, föhnte und bürstete sie, bis ich wie ein Rauschgoldengel aussah.
    Als ich mich in dem mannshohen Spiegel im Flur betrachtete, erkannte ich mich nicht wieder.
    Ich war ein Wesen wie aus diesen kitschig-schönen tschechischen Kinderfilmen, die ich in der Ukraine immer gesehen hatte und die auch ab und zu hier in Deutschland auf KIKA gesendet werden. Wie aus einem Märchentheater. So ein Wesen, das man sich Weihnachten anschaut mit seinen kleinen Cousins und Cousinen, dann findet man das schön, das weiß ich.
    Aber dieses Maifest hatte nichts mit Märchen und Kindertheater
zu tun. Überhaupt nichts. Ich hatte eine furchtbare Angst vor dem kommenden Freitag. Eine Angst, die mir die Kehle zuschnürte.

    Ich entdeckte sie alle sofort, als mein Vater und ich mit unserem Peugeot in der Warteschlange standen. Das war direkt zwischen dem Treppenaufgang zum Haupthaus und der großen Rasenfläche, auf welcher der Empfang stattfinden sollte. »Herzchen« Lohmann, unser Direktor, begrüßte jeden Gast mit Handschlag. Neben ihm seine Frau (ihren Vornamen habe ich vergessen), sie ließ sich von den männlichen Gästen die Hand küssen, als wäre sie die Queen.
    Als Nächstes sah ich Tilly, in einem engen weißen Hosenanzug, der so weit aufgeknöpft war, dass man ihren neuen La-Perla-Spitzen-BH sehen konnte. Marcia neben ihr posierte in einem weiten, wehenden Minikleid aus hauchdünnem Stoff und Sandaletten mit unglaublich hohen Absätzen, in denen sie den Catwalk vorführte. Es sah aus, als habe sie das ausführlich im Ballettraum vor dem Spiegel geübt.
    Lennart hatte sich untergehakt bei einer Dame mit Pelzstola, vielleicht seine Mutter - die einen Dalmatiner an der Leine führte. Das Ganze hätte unglaublich elegant ausgesehen, wenn der Dalmatiner nicht an einem der neu gepflanzten Birken stehen geblieben wäre, um zu pinkeln.
    Justines Vater hingegen sah aus, als sei er direkt von seiner Segeljacht auf das Fest gekommen. Mit Dreitagebart und Sonnenbrille, die in seinen gewellten, eisgrauen Haaren steckte, in Slippern ohne Strümpfe, ausgebeulten Hosen und schlabberigem T-Shirt sah er exakt so aus wie diese Millionäre in den Illustrierten, die sich einen Dreck um ihr Äußeres kümmern. Einfach, weil sie reich genug sind, so
dass jeder sie trotzdem akzeptiert. Ich stellte mir für eine Sekunde vor, wie mein Leben aussehen würde, wenn er mein Vater wäre.
    Simon, der sonst immer wie ein Penner herumlief, hab ich an dem Tag zum ersten Mal im Anzug und mit Krawatte gesehen. War auf einmal ein ganz anderer Typ.
    Und dann erst Naddel! Seit ihrem letzten »Coup« gegen mich (Kotze hinter dem Klo... Deine Mutter, sie hat nicht gut genug geputzt...) nannte ich sie nun für mich auch nur noch Naddel. Sie verdiente es nicht besser. - Also Naddel. In einem schwarzen Schlauch-Stretch-Kleid, das superteuer aussah, stand sie zwischen ihrer platinblonden Mutter und ihrem Vater, der sich abgewandt hatte, um leise in sein Handy zu sprechen, bis sie, seine Tochter, ihn antippte und er sich mit einem schuldbewussten Lächeln wieder zu ihr drehte.
    Naddel war extrem stark geschminkt, für eine Sekunde dachte ich, ob sie vielleicht ROSENSTOLZ ist. Und die ganze Show mit ihren Eltern eine reine Maskerade. Und bei allen anderen auch. Es gab zwei Wahrheiten: die äußere Darstellung und das, was sich dahinter verbarg. Das Dunkle, das Geheimnisvolle. Ich sah meine Klassenkameraden da auf dem Rasen herumstolzieren und lachen und dabei

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