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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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gefror mir das Herz.
    Wer von ihnen war wohl PRINZ EISENHERZ? Vielleicht Lennart, der da im weißen Hemd mit roter Fliege herumlief? Und wer SEX PISTOL? War das wohl ein Junge? Oder vielleicht auch ein Mädchen?
    Wir waren jetzt mit unserem Auto an dem Punkt der Warteschlange, wo die Schülerlotsen die Wagentüren aufrissen und jeden ankommenden Gast mit einer tiefen Verbeugung
willkommen hießen. Vor uns ein fetter Mercedes. »Das ist ein Sechshunderter«, sagte Oleg, seine Stimme klang vor Ehrfurcht irgendwie fremd. Oleg bewunderte Leute, die es zu Reichtum brachten. »Eigentlich müsste ich auch Oligarch sein«, sagte er manchmal grinsend, »wo ich schon Oleg heiße.« Er redete oft von den Superreichen in Russland, die sich rechtzeitig die Schlüsselindustrie unter den Nagel gerissen hatten: die Gasindustrie, die Rohstoffe Russlands, den Stahl. Oleg war viel zu gutmütig, er hatte nicht die Ellenbogen und die Brutalität, die man braucht, um seine Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Er winkte ja sogar jedem Fahrerkollegen entschuldigend zu, den er auf der Autobahn überholte. Ich mochte Oleg, so wie er war. Nur an diesem Tag konnte ich ihm das Kleid nicht verzeihen.
    »Ein gepanzerter Audi mit Hamburger Kennzeichen«, sagte er. »Ich dachte, so ein Auto ist nur was für das Kanzleramt.«
    Mir fiel sofort Felicitas von Behrenberg ein, als ich die Frau sah, die jetzt ausstieg, und zwar, indem sie sich von einem der Schüler aus dem Wagen helfen ließ, so als sei sie es gewohnt, immer einen Sklaven zur Hand zu haben.
    Sie trug einen Hut wie die Leute, die zu Pferderennen gehen, mit breiter Krempe und irgendwelchen Paradiesvogelfedern. An ihrem Arm glänzte das Gold.
    »Das ist ja ein Auftrieb.« Mein Vater schüttelte den Kopf.
    Ich antwortete nicht. Mein Kleid hatte bereits Knitterfalten, weil ich meine Angst ausschwitzte.
    Oleg zwinkerte mir zu. »Aber du bist hier die Prinzessin, weißt du das?«, sagte er, als er Anstalten machte, auszusteigen, um sich von mir zu verabschieden.
    »Papusch!, nicht«, flüsterte ich panisch. Ich gab ihm einen
Luftkuss, sprang aus dem Wagen und bat ihn, schnell wieder loszufahren, weil hinter uns schon weitere Autos warteten. Und er tat mir den Gefallen. Mein Vater war weg, bevor er sehen konnte, wie alles sich umdrehte und mich anstarrte und wie auf einmal - so schien es mir jedenfalls - jedes Gespräch erstarb.
    Ich stand da in einem kunstseidenen, champagnerfarbenen Kleid mit Trachtenstickerei und einem total hässlichen Oberteil und dazu mit Flügelärmeln, die jeder Bewegung etwas Lächerliches gaben. Ich hatte beschlossen, mich, so schnell es ging, in eine dunkle Ecke zu verdrücken, damit ich möglichst rasch unsichtbar war.
    Ich wusste, es war unmöglich.
    Ich hatte durch das Spalier all dieser Leute zu gehen, die sich begrüßten, als seien sie die engsten Freunde, musste durch die Hallöchen-und Küsschen-Küsschen-Gesellschaft, in deren Reihen auch die Leute aus meiner Klasse waren.
    Sie alle standen auf dem Rasen, ich noch auf der Auffahrt, es waren mindestens zweihundert Personen versammelt, alle gekleidet wie aus einem teuren Modemagazin, eitel und selbstbewusst. Eine Elitegesellschaft, die sich auch so fühlte. Eine Gemeinschaft, die ihre eigenen Spielregeln hatte. Und ihren Blicken war ich ausgesetzt.
    Naddel sprang vor, entriss dem Mädchen, das gerade ein Foto von ihr und ihren Eltern machte, das Handy und rannte auf mich zu.
    »Svetlana!«, schrie sie. »Ich muss ein Foto von dir machen!«
    Was sollte ich tun? Ich stand da, mit hängenden Armen, ich hatte das Gefühl, als würden die Locken, die meine Mutter mir kunstvoll gedreht hatte, sich aufringeln und meine
Haare platt und leblos an mir herunterhängen. Schweiß bildete sich an meiner Wirbelsäule. Meine Füße wurden von Sekunde zu Sekunde größer, als würde Wasser in sie gepumpt, die verdammten Ballerinas drückten. Ich musste dringend aufs Klo.
    Naddel schrie: »Boah! Das ist der Wahnsinn, Svetlana!« Sie schüttelte ungläubig den Kopf, grinste breit und machte noch ein paar Fotos.
    Plötzlich, wie aus dem Nichts, tauchte Ravi auf, MEIN RAVI. Strahlend kam er auf mich zu. Er breitete die Arme aus und tat, als würde er überhaupt nicht merken, wie grauenvoll ich aussah. Als würde es ihm nichts ausmachen. Er war wie aus dem Ei gepellt, richtig smart, er hätte sogar bei der Oscar-Verleihung eine gute Figur gemacht. »Wo hast du gesteckt?«, fragte er. »Ich hab schon alle Leute genervt, ob sie

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