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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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wollte nicht mehr alles still in mich hineinfressen. Nicht mehr nur zuschauen und alles mit mir geschehen lassen. Das hättet ihr wohl gern, dachte ich grimmig, während ich dem Erlenhof entgegenstrampelte.

    Natürlich war das leichter gedacht als getan. Aber ich bekam überraschend eine Hilfestellung.
    In der Klasse wussten sie es alle. Das spürte ich sofort. Es war eben noch laut gewesen, als ich im Flur war, aber sobald ich den Klassenraum betrat, versickerten die Gespräche zu einem Gemurmel, bis Stille eintrat. Ich tat, als merke ich
nichts, ich hielt meinen Kopf sehr gerade, das hatte ich mir vorgenommen. Kopf hoch und Augen geradeaus, bloß nicht auf den Boden schauen und die graue Maus sein. Ich bin also erhobenen Hauptes zu meinem Platz, habe mich hingesetzt, meine Schulsachen auf den Tisch gelegt und an die Tafel geschaut.
    Da stand:
    HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH, SVETLANA, ZU PLATZ 1
    Ich blinzelte nicht, auch das hatte ich mir vorgenommen: Wenn dich jemand anschaut - nicht blinzeln. Immer ganz cool sein. Während ich also starr auf die Worte an der Tafel blickte, überlegte ich fieberhaft, was ich tun sollte.
    Aufstehen und das Zeug einfach abwischen?
    Oder lachen, um sie zu verunsichern?
    Oder einen dummen Witz machen?
    Dass es immer schon mein Wunsch gewesen sei, zum hässlichsten Mädchen der Schule gewählt zu werden?
    Meine Gedanken wirbelten herum und nichts davon ließ sich festhalten. Ich starrte so lange auf die Tafel, bis die Buchstaben verschwammen und auf einmal die Klassentür aufschlug, unser Mathelehrer hereinkam und einen Stapel Hefte auf das Pult knallte.
    Genau, das war ja der Tag, an dem wir unsere Mathearbeiten zurückbekommen sollten. Es war eine superschwierige Arbeit gewesen, eine Art Strafarbeit, zu der Herr Johnson uns verurteilt hatte, weil der letzte Test so miserabel ausgefallen war.
    Der Lehrer baute sich vor der Klasse auf. »Guten Morgen«, sagte er. »Ich hoffe, ihr habt euch auf dem Fest gut
ausgetobt und geht motiviert und gestärkt in eine neue Woche. Für die nächsten Tage habe ich mir viel vorgenommen. Wir wollen ein richtig großes Stück weiterkommen.«
    Allgemeines Gebrummel unter den Schülern. Es war nicht klar, betraf es das Fest oder die Ankündigung, dass einiges an Arbeit auf sie zukam.
    Herr Johnson ging nicht darauf ein. »Wir wollen«, sprach er weiter, »die wertvolle Mathestunde nicht vergeuden. Deshalb gleich zur Sache. Annika, bitte, geh du nach vorn.« Er nahm seinen Lieblingsplatz ein (es war derselbe, den auch Herr Simonis bevorzugte), am vorderen Fenster.
    Annika erhob sich, sie zögerte, sie hatte ein knallrotes Gesicht. Fragend blickte sie sich um. Ich registrierte, wie alle schnell ihre Köpfe zwischen die Schultern zogen.
    Johnson sah auf die Tafel. Er runzelte die Stirn. »Was ist das?«, fragte er.
    Annika griff nach dem Schwamm. Aber der war am Wochenende eingetrocknet und die Schrift ließ sich nicht so einfach entfernen.
    Herr Johnson schaute mich an. Er lächelte.
    »Du hast einen ersten Platz gemacht, Svetlana?«, fragte er, während Annika wie verrückt auf der Tafel herumrieb.
    Ich schluckte.
    Ich hatte eine Kröte im Hals, die wollte weder rauskommen noch durch meine Speiseröhre nach unten rutschen. Ich war sicher, ich würde kein Wort über die Lippen bringen. Ich räusperte mich nervös.
    »Wie schön«, sagte Herr Johnson. Wieder lächelte er. »Das freut mich wirklich. Erzähl doch mal, so viel Zeit muss sein.«
    Ich stand auf.

    Ich trug meinen Fleecepulli, dunkelrot, von C&A, den ich extra angezogen hatte, aus Trotz, und Jeans. Ich hatte meine Haare zu einem dicken Pferdeschwanz streng aus dem Gesicht gebunden. Herr Johnson wartete.
    »Also? Worin der erste Platz?«, fragte er.
    Ich holte tief Luft, räusperte mich erneut, damit meine Stimme auf jeden Fall klar und deutlich rüberkam, und sagte: »Ich bin zum hässlichsten Mädchen der Schule gewählt worden.« Und setzte mich wieder.
    Meine Beine waren wie Gummi, ich versteckte meine zitternden Hände zwischen den Knien. Aber ich saß aufrecht. Und schaute den Lehrer an, ohne zu blinzeln.
    In der Klasse war es still.
    Johnson stieß sich vom Fensterbrett ab, schlenderte betont langsam auf die Tafel zu und nahm Annika den Schwamm aus der Hand. Mit einer Kopfbewegung schickte er sie zu ihrem Platz zurück. Dann holte er ein großes, sauberes Taschentuch aus seiner Hose und wischte ruhig und ohne ein Wort die Tafel sauber.
    Danach drehte er sich um und säuberte seine Finger. »Ich

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