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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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Burberry für Regentage, das den Status von Trophäen hatte.
    Ich hatte mich für Flensburg entschlossen, Flensburg ist die nördlichste Stadt von Schleswig-Holstein auf der Ostseeseite, von da sind es nur noch wenige Kilometer bis zur dänischen Grenze. Flensburg ist eine alte Handelsstadt mit einer Hauptstraße, an der alle wichtigen Geschäfte liegen. Diese Hauptstraße öffnet sich zu einem Platz, auf dem an Markttagen ein unglaubliches Gewimmel herrscht. Überhaupt sind die Straßen von Flensburg immer sehr voll, weil die Dänen gerne hier einkaufen. Ich stellte mir vor, dass es leicht wäre, nach einem kleinen Diebstahl aus dem Laden zu rennen, um sofort in der Menge unterzutauchen. Außerdem würde ich schnell einen Überblick haben über die verschiedenen Geschäfte. Es sollte ja kein gemütlicher Shoppingbummel werden. Es war eine Aufgabe, die es auszuführen galt, mit
größter Präzision und kaltem Herzen. Ich war total darauf vorbereitet, mit jeder Faser meines Körpers. In Flensburg kannte mich niemand und ich kannte niemanden.
    Meiner Mutter sagte ich, dass an diesem Nachmittag noch eine AG stattfinden würde, neu eingerichtet, für Biologie, und dass ich noch in die Schulbibliothek wollte. Es würde später werden.
    Nach der Schule fuhr ich direkt zum Bahnhof, stellte mein Rad unter, löste eine Karte und saß wenig später im fahrenden Zug.
    Ich war ganz ruhig, ich fühlte mich wie jemand, der entschlossen war, ein Verbrechen zu begehen, und der keinerlei Schuldgefühle oder Gewissensbisse deswegen hatte. Ich musste eine Tat ausführen, die für mich überlebenswichtig war. Ich hatte gar keine andere Chance. Wenn ich es nicht schaffte, mir die richtigen Klamotten zu besorgen, würde ich nie die Anerkennung meiner Klassenkameraden erlangen. Das hatte sich in mir festgesetzt. Ich glaube, die Inder nennen es die ewige Wiederholung eines Gedankens: ein Mantra. Mein Mantra hieß: Du brauchst neue Sachen. Du brauchst neue Sachen.

    Ich musste sehr umsichtig und raffiniert vorgehen, ich durfte mich auf keinen Fall erwischen lassen. Denn wenn sie mich beim Klauen erwischen würden, wäre alles umsonst. Sie würden mich von der Schule werfen, mit Schimpf und Schande und mit der ganzen Häme, zu der meine Mitschüler fähig waren. Und reumütig müsste ich dahin zurück, woher ich gekommen war, in meine alte Realschule. Wenn sie dort denn eine überführte Diebin aufnehme würden.
    Wenn ich manchmal an meine frühere Schule dachte, fiel
mir auch gleich wieder Frau Feddersen ein, mit ihren seidenen Halstüchern, die sie immer vor den Mund hielt, wenn ein hustendes oder verschnupftes Kind sie ansprach. Frau Feddersen mit ihrer schönen Stimme und ihrem großen Herzen. Frau Feddersen, die so dafür gekämpft hatte, dass ich das Stipendium für den Erlenhof bekam.
    Die es verdiente, dass ich mich anstrengte, dass ich es schaffte. Nicht nur gute Noten, sondern auch, ein echter Erlenhofer zu sein, anerkannt und akzeptiert.
    Manchmal wenn ich an sie dachte, stellte ich mir vor, dass ich ihr erzählen könnte, ich sei zur Klassensprecherin gewählt worden.
    Na ja, gut. Der Mensch ist eben so, dass er in seinen Träumen alles für möglich hält. Auch das Unmögliche.
    Aber ich überlegte mir, dass ich irgendwann einmal, an einem Sonntagmorgen in der Kirche ganz vorn sitzen würde, um zuzuhören, wenn ihr Chor ein schönes Requiem sang. Oder die Händel-Passion. Ich hatte es mir ganz fest vorgenommen. Eigentlich immer wenn ich an die alte Schule und damit an Frau Feddersen dachte, nahm ich mir vor, schon am nächsten Sonntag in die Kirche zu gehen.
    Warum ich es dann doch nicht geschafft habe, kann ich nicht mehr wirklich sagen.
    Ich schätze, es gehört zu den vielen Dingen, die ein Mensch tun will und dann aus irgendwelchen Gründen doch nicht auf die Reihe kriegt.
    Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass man sich zu viel auflädt, oder eher daran, dass man zu träge ist, zu faul irgendwie, zu antriebslos, dass man immer wieder Gründe vorschiebt, die einen daran hindern, die Dinge anzupacken.
    Tut mir leid, Frau Feddersen, ich hab Sie wirklich gern.
Das möchte ich an dieser Stelle einmal loswerden. Auch wenn ich weiß, dass Sie meinen Text nie lesen werden. Denn dieser Text ist ja nicht für die Öffentlichkeit.
    Er ist für mich. Ich soll das alles aufschreiben, um Klarheit zu erlangen über das, was mit mir passiert ist. Verstehen Sie? Vorher kann ich nicht gesund werden, sagt mein Arzt.

    Klauen ist etwas

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