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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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nur das Nötigste gemacht. Sie hatten sich damit abgefunden, dass wir keine Genies sind. Aber jetzt hat sich was verändert hier. Jetzt geben sie uns schwierigere Hausaufgaben und schlechtere Noten. Woran liegt das wohl?« Sie hob die Stimme und dann zischte sie: »Wegen einer Russenbraut!«
    Tilly und Simon kamen jetzt hinzu. Simon mischte sich ein. »Das Alkoholdepot, das meine Kumpel und ich hatten, ist aufgeflogen. Alle Flaschen weg. Wir haben ein Vermögen dafür ausgegeben. Irgendwie glauben wir, dass es mit der neuen Putzfrau zu tun hat«, sagte er.
    »Der Kohlgeruch«, ließ Tilly sich vernehmen, »verbreitet sich im ganzen Internat.«
    Simon grinste. Felicitas grinste. Annika grinste.
    Ich packte stumm meine Sachen.

    Die nächsten Stunden dieses Tages überstand ich irgendwie, ich kann mich kaum mehr daran erinnern. In den großen
Pausen versteckte ich mich auf dem Klo, schloss mich ein, niemand sollte mich sehen. Es ging einfach nicht anders, ich wusste, ich würde es nicht schaffen, auf den Schulhof zu gehen.
    Ich wusste auch, dass ich es nicht schaffen würde, den Speisesaal zu betreten.
    Ich stellte mir vor, dass sie alle die Seite angeklickt hätten, auf der die Schönheitswahl stattfand. Ich stellte mir vor, dass alle dreihundert Augenpaare sich auf mich richteten, um »in natura« zu sehen, wie scheiße ich aussah. Wie dämlich meine Haare, wie billig mein Pulli, wie altmodisch meine Schuhe waren. Wie blöde mein Lächeln. Wie linkisch ich war.
    Eine Aussätzige, die niemand an seinem Tisch haben wollte.
    Ich dachte plötzlich, dass ich es Ravi nicht mehr zumuten konnte, mich an seinem Tisch zu haben.
    Vielleicht hatten sich seine Leute auch an der Wahl beteiligt. Die Einzigen, bei denen ich mich immer sicher und wohlgefühlt hatte. Mit denen ich gelacht hatte und Witze gerissen. Denen ich die Suppe auf die Teller getan und Salat von der Salatbar geholt hatte. Vielleicht hatten auch sie alle, wenn ich aufstand, auf meinen Hintern gestarrt?
    Ich wollte Ravi nicht begegnen, ich hatte so eine unheimliche Angst davor. Wie er auf mich reagieren würde? Ob er immer noch lächeln würde, wenn er mich sah? Ob er immer noch aufspringen und mich an den Tisch winken würde? Nach dem, was ich im Internet über mich gelesen hatte, konnte ich es mir nicht mehr vorstellen.
    Es war superhart, auf einmal zu begreifen, dass ich an der Schule keinen einzigen Menschen mehr hatte, bei dem ich mich völlig sicher fühlte.

    Wann mir die Idee kam, dass alles besser werden würde, wenn ich nur schönere Klamotten hätte, weiß ich nicht mehr genau. Bestimmt hatte es etwas mit dem schrecklichen Kleid zu tun, das ich auf dem Maifest tragen musste. Auch wenn ich dies Fest einigermaßen selbstbewusst überstanden hatte, so erinnerte ich mich doch ebenso, wie neidisch ich auf Marcias Kleid und auf das von Nadine gewesen war. Wie dieser Neid mich einen Moment schier zerfraß und keinen anderen Gedanken mehr zuließ. Alles lief darauf hinaus, dass man nur etwas zählte, wenn man die richtigen Klamotten trug.
    Nachts lag ich wach und versuchte, den Film von diesem Fest noch einmal ablaufen zu lassen: Ich steige aus Olegs altem Peugeot wie Phönix aus der Asche. Ich trage ein Schlauchkleid, tiefblau, weil das am besten zu meinen Augen passt, aus superedlem Stoff mit passenden Pumps und einem »Clutch-Bag« unter dem Arm (damit laufen zurzeit alle Schauspielerinnen rum). Alles passend natürlich.
    Die Leute starren mich an. Sie weichen zurück. Ehrfürchtig. Voller Respekt und Bewunderung. All die Menschen bilden eine Gasse, durch die ich lächelnd schreite, anmutig wie ein Model von Calvin Klein. Am Ende der Gasse steht Ravi und breitet die Arme für mich aus. Und als wir zusammen tanzen - natürlich sind wir die besten Tänzer -, höre ich, wie Marcia ruft: »Was für ein schönes Paar!«
    Wenn dieser Traum je wahr werden sollte, brauchte ich dringend andere Klamotten. Genau die Sachen, um die sich im Waschraum und in den Schulpausen alle Gespräche drehten. Ich musste endlich dazugehören.

JUNI
    Das erste Mal ging ich auf Fischzug am 6. Juni. An diesem Tag fing ich an, in den Geschäften Sachen mitgehen zu lassen.
    Ich wollte Poloshirts haben, die mit dem Lacoste-Krokodil, und dazu gesteppte Westen, ich wollte eine Prada-Sonnenbrille und Jeans von Versace. Ich wollte mir Löcher in diese meine Jeans schneiden können, weil ich genug davon hatte. Ich wollte Markenturnschuhe, die von Converse mit dem Stern, und dieses Zeug von

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