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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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überlegte, es fiel mir nicht ein.
    Egal, dachte ich, ich komme auch nicht nach England. Und schon gar nicht nach Amerika.
    Für mich ist nicht Frankreich, nicht England, nicht Amerika.
    Für mich ist Ende.
    Ich weiß genau, wie dieser Gedanke auf einmal in meinem Kopf war.
    Für mich ist Ende.
    Ich war erschrocken, aber dann fand ich es nicht so schlimm. Es war auf einmal etwas Tröstliches in der Vorstellung, dass ich mich nicht mehr quälen musste, jeden Tag, endlos viele Tage, viele Wochen, viele Monate, Jahre.
    Dass alles auch einfach vorbei sein konnte.
    Kein Schmerz.
    Keine Angst.
    Keinen Druck im Magen.
    Nichts mehr fühlen.

    Gar nichts.
    Ende.

    Ich weiß, dass ich danach aufgestanden bin, mir meine Sachen ausgeklopft habe und mit dem Fahrrad nach Hause zurückfuhr. Meine Mutter war nicht mehr da, sie hatte einen Zettel hingelegt. Irgendeine Besorgung, was bis in den Nachmittag dauern würde.
    Ich hab etwas zu essen aus dem Kühlschrank genommen und mich an den Computer gesetzt.
    Ich weiß genau, dass es mir jetzt nicht schlecht ging. Auch nicht wirklich gut, aber auch nicht schlecht.
    Ich hatte so eine innere Ruhe.
    So was Abgeklärtes, irgendwie komisch. Wenn ich heute darüber nachdenke, bekomme ich eine Gänsehaut.
    Weil dieser Zustand nicht normal war.
    Das hab ich nur gar nicht mehr gecheckt.
    Es gab neue Einträge. Einträge über mich.
    PRINZ EISENHERZ schrieb: »Neue geile Fotos von Svetlana zum Runterladen! Svetlana wird unser neuer Pornostar! Klickt hier, um mehr zu erfahren...«
    Ich konnte mich nicht wehren. Ich war dem ausgeliefert.
    Wie ein Hund, der weiß, dass er verprügelt wird, und trotzdem zu seinem Herrn geht, immer wieder. Immer wieder.

    Und da waren die Bilder.
    Das war ich. Keine Fotomontage. Das war einfach ich.
    Ich ziehe mich aus. Knüpfe meinen ausgeleierten Sport-BH auf. Ziehe meinen hässlichen Baumwollslip aus.
    Bin ganz nackt. Darunter steht: »Svetlana bereitet sich auf ihren Job vor.«

    Im nächsten Bild trage ich einen Tangastring. Eigentlich noch schlimmer, als ganz nackt zu sein. Darunter steht: »S. in ihrer Arbeitskleidung.«
    Ich ziehe den superengen Rock an. Ich muss mich winden wie ein Aal, mit Hüften und Hintern, um in das Ding zu kommen.
    Dann ein neuer BH. Schwarze Spitze. Ich schiebe meine Brüste in dem BH zurecht. Es war nicht auszuhalten. Und trotzdem musste ich hinsehen.
    Diese Fotos waren alle von mir. Und ich habe es nicht bemerkt, als sie gemacht wurden.
    Ich in meinem Heiligtum!
    Die Fotos waren höchstens vier Tage alt. Denn da hatte ich den BH geklaut. Ich hatte ihn einfach so mitgehen lassen, vom Ständer, ohne ihn vorher anzuprobieren, ich wusste nicht, ob er passte.
    An diesem Tag haben sie am Heuschober, irgendwo in der Nähe, auf mich gewartet. Sind mir gefolgt, haben mich beobachtet, wie ich hinein ging, wie ich dort die neuen Sachen anprobierte!
    Haben draußen gestanden und gefeixt und fotografiert.
    Das hässlichste Mädchen der Schule als Pornoqueen.
    Zum Totlachen, oder?
    Ich sehe Naddel mit ihrem dämlichen Handy. Ich sehe, wie sie es vor ein kleines Loch in der Bretterwand schiebt und abdrückt, wieder und wieder. Ich höre, wie sie leise kichern, als sie wieder weggehen.
    Und ich sehe, wie sie die Fotos einspeisen. »Pornoqueen Svetlana«
    Die Fotos waren nicht schlimmer als das, was ich vorher über mich gesehen und gelesen habe.

    Sie waren nicht so gemein wie die Fotomontage von Anna und mir.
    So schlimm waren diese Fotos nicht.
    Das Furchtbare für mich war, dass meine Peiniger es geschafft hatten, auch meinen letzten Zufluchtsort zu finden. Und ihn für mich zu zerstören.
    Dass ich keinen einzigen Platz auf der Welt mehr hatte, an dem ich vor ihnen sicher war. Keinen.
    Ob sie sich darüber gewundert haben, wieso ich all das Zeug nicht bei mir zu Hause hatte, was ich da anzog? Keine Ahnung.
    Wann würden sie wissen, dass ich eine Diebin war?

    Ravi rief an. »Bist du krank?«, fragte er.
    »Nein, wieso?«
    »Du warst heute nicht in der Schule.«
    Das hatte er also gemerkt.
    »Wie war’s mit deinem Vater?«, würgte ich tapfer hervor, so als habe es mir gar nichts ausgemacht, dass er mich ausgeladen hatte.
    Ravi verstummte. Also falsche Frage?
    »Okay«, sagte ich. »Ist egal. Geht mich auch nichts an.«
    Er ging nicht darauf ein.
    »Deine Klasse hat heute einen Französisch-Test geschrieben«, sagte er stattdessen.
    Was er alles wusste!
    »Von wem weißt du das?«, fragte ich misstrauisch.
    »Felicitas hat es mir

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