Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
Vom Netzwerk:
erzählt.«
    Felicitas! Ausgerechnet diese eingebildete Tussi mit ihren Seidentüchern von HERMES!
    Ich sagte nur: »Felicitas schreibt bestimmt eine Eins.«

    »Wie kommst du darauf?«
    »Ihre Eltern haben ein Ferienhaus in Südfrankreich.«
    »Ach ja?«, erwiderte Ravi. »Wusste ich gar nicht.«
    Na bitte, dachte ich, da kann ich dir ja was Neues bieten.
    »Sicher geht sie dort jeden Morgen zum Bäcker«, sagte ich und fügte grimmig hinzu: »Y a-t’il du pain frais?«
    Ravi lachte. Er lachte, als hätte ich einen richtig guten Witz gemacht. »Wie kommst du auf so was?«, fragte er.
    Ich gab keine Antwort. Das ganze Telefongespräch war irgendwie ein Witz.
    »Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen soll«, sagte Ravi, »aber ich hab mit meinen Dad über dich gesprochen.«
    Jetzt kam also doch etwas über den gestrigen Abend. Ich wurde rot. »Was gibt es denn über mich zu sagen?«
    »Na hör mal!«, rief Ravi. »Worüber haben wir denn miteinander geredet?«
    Ich konnte mich nicht erinnern, worüber wir geredet hatten, ich konnte mich an gar nichts erinnern. Es war idiotisch, aber ich stellte mir vor, wie Felicitas statt meiner in dem Nobelrestaurant saß mit Ravi und mit seinem Vater gestern Abend, Felicitas, wie eine Geisha geschminkt. Wie sie einen Cocktail schlürft während die Fische aus dem Aquarium sie aus ihren Wasseraugen anglotzen und wie unter dem Tisch ihre lackierten Zehen an Ravis Beinen hochkrabbeln (Felicitas zog unter dem Tisch immer ihre Schuhe aus. Wahrscheinlich kaufte sie aus Eitelkeit alle Sandaletten eine Nummer zu klein).
    »Dad sagt, das sei eine sehr üble Sache.«
    »Was?«, fragte ich. Ich hatte den Faden verloren.
    »Was du gerade erlebst. Das Cybermobbing.«
    »Worüber redest du?«, fragte ich.

    »Cybermobbing«, erwiderte Ravi. »So nennen sie das in den USA. Da ist das weitverbreitet. Mein Dad sagt, dass manche Schüler derart übers Handy und das Internet gequält werden, dass sie sich umbringen wollen.«
    Ich schloss die Augen. »Ein nettes Gespräch«, sagte ich müde.
    Ich hatte auf einmal keinen Durchblick mehr. Was war noch real? Ich wusste es nicht mehr. Ich war ganz beherrscht von der Vorstellung, dass Ravi und Felicitas... Felicitas und Ravi... In mir drehte sich alles. Ich konnte nicht mehr denken.
    Wenn sie sich ihn gekrallt hat, dann nur, um mir den Todesstoß zu versetzen. Völlig klar. Damit wollen sie mich endgültig fertigmachen …
    »Was hatte sie denn an?«, fragte ich wie benommen.
    »Wer?«
    »Na, Felicitas.«
    »Was meinst du? Fragst du das im Ernst?«
    Ich schwieg.
    »Also«, sagte er nach einer Pause. »Mein Dad meint, du musst das melden.«
    »Was?«
    »Svetlana! Hörst du mir überhaupt zu? Mein Dad meint, du solltest mit dem Vertrauenslehrer darüber reden oder mit dem Direktor. Die müssen wissen, was an der Schule vorgeht! Nur dann können sie auch etwas dagegen unternehmen!«
    Jetzt fielen mir die Fotos ein. Die vom Schober.
    »Was hältst du davon?«, fragte Ravi.
    Ich antwortete nicht.
    »Svetlana?«, rief er. »Bist du noch da?«

    »Ja«, sagte ich.
    »Haben sie etwa wieder versucht, dich fertigzumachen?«
    Wieder schwieg ich.
    Es sollte nichts geredet werden. Gar nichts. Nicht über Mobbing. Nicht über eklige alte Fotos.
    Und nicht über neue.
    »Du musst mit Dr. Simonis reden«, drängte Ravi. »Er hat noch nie einen Schüler im Regen stehen lassen, der Probleme hatte. Simonis muss wissen, was bei euch abläuft!«
    »Ich will aber nicht.«
    »Und wieso nicht?«
    »Weil ich nicht mehr kann«, sagte ich.
    Und drückte die Aus-Taste.
    Ravi wählte, wie ich auf dem Display sah, noch zweimal meine Nummer. Aber ich nahm nicht ab.
    Ich spürte eine unendliche Müdigkeit. Wie schwere Gewichte, die an meinen Armen, meinen Schultern, meinen Füßen zogen.
    Ich hätte mich, so wie ich war, einfach auf den Boden legen und nie wieder aufstehen mögen.

    Am nächsten Morgen fuhr ich wieder in die Schule. Es war schwül. Dunkle Gewitterwolken ballten sich am Himmel. Im Wetterbericht hatten sie schwere Böen angesagt, aber die Luft war zum Schneiden dick. Vollkommene Windstille. Ich fuhr in die Schule, weil ich nicht wusste, wo ich sonst hingehen sollte.
    Wir hatten Physik in der dritten Stunde. Der Lehrer, Dr. Jäckel, versuchte gerade, uns einige Grundzüge der Elektrizitätslehre näherzubringen. Es war stockend heiß im Raum. Eine Fliege knallte im Abstand von zehn Sekunden gegen
eine Fensterscheibe. Ich trug Bermudas und meine Kniekehlen waren feucht

Weitere Kostenlose Bücher