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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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verabredet waren.
    Seine Stimme klang anders. Er war verlegen, das war mir schnell klar. Er fühlte sich unwohl.
    Ich war froh, ihn endlich wieder zu hören - wenn ich auch ahnte, fürchtete, was er mir sagen wollte.
    »Was hast du so lange gemacht?«, fragte er.
    »Das Übliche«, erwiderte ich.
    »Ich hab dich in der Schule nie gesehen«, sagte Ravi.
    Ich schwieg.
    »Wo warst du immer in den Pausen? Ich hab dich gesucht.«
    »Meistens in der Bibliothek«, sagte ich.
    »Jede Pause?«
    »Nicht jede.« Manchmal verstecke ich mich auch im Klo, dachte ich. Aber das musste er nicht wissen.
    »Ich muss dir nämlich was sagen.«
    Ich wusste es, bevor die Worte kamen. Es würde nicht zu diesem Abendessen kommen, Ravi hatte es sich anders überlegt.
    Ich wusste es.
    Ich spürte es durch das Telefon, dass etwas sich inzwischen geändert hatte. Es waren die Fotos, die er im Internet gesehen hatte, vor allem das letzte, ganz sicher. Es waren denn doch die Sachen, die sie über mich im Chat verbreiteten, gegen die ich machtlos war.
    Er wollte nicht mit jemandem wie mir gesehen werden, solch einem Mädchen.
    Selbst wenn er mich nicht wie die anderen für Dreck hielt, so war etwas von dem Dreck doch an mir kleben geblieben. Das spürte ich ja selbst. Beschmutzt. Angespuckt.

    »Es ist wegen des Abends, über den wir gesprochen haben«, sagte er.
    Er räusperte sich, er war kaum zu hören.
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, erwiderte ich. Ich wollte seine Verlegenheit nicht mildern.
    »Den Abend mit meinem Vater, das Abendessen.«
    Ich lachte. »Ach das. Hab ich schon vergessen.«
    Ich hörte, wie er erleichtert aufatmete. »Ach wirklich? Dann ist es ja gut. Ich dachte schon, du wärst traurig über das, was ich dir zu sagen habe.«
    Mein Herz schlug, mein Gaumen war wie ein Reibeisen. Meine Kehle ausgedörrt. Ich hustete, weil ich Angst hatte, ich könnte sonst ersticken.
    »Was wolltest du denn sagen?«
    »Ja, weißt du, Dad hat gemeint, er würde lieber nur mit mir allein essen gehen.«
    Es ist nicht so schlimm, wenn man eine schlechte Nachricht bekommt, mit der man schon gerechnet hat, es trifft einen zwar hart, aber nicht so hart, als wenn sie aus dem Nichts kommt.
    »Versteh ich«, sagte ich, »hab ich mir schon gedacht.«
    »Er hat aber heute erst angerufen!« Ravi sagte das so hastig, dass ich dachte, er würde lügen. Er weiß es schon lange, dass er mich nicht mitnehmen will, er weiß es, seit er diese Sachen über mich gesehen hat; ich an seiner Stelle würde mir auch ein anderes Mädchen suchen. Ein Mädchen wie Felicitas oder Marcia, mit denen kann man vor so einem Vater angeben, mit mir muss man sich schämen.
    »Es ist nicht so, wie du denkst.« Seine Stimme wurde fester.

    Ich versuchte zu lachen. »Wieso? Ich denk doch gar nichts.«
    »Ich glaube, es ist wegen meiner Mom.«
    Er hatte seine Mutter vorher noch nie erwähnt. Ich dachte, sie hätte die Familie verlassen.
    »Dad will etwas Privates mit mir besprechen«, sagte Ravi. »Und deshalb ist es besser, wir gehen nur zu zweit weg.«
    »Ganz klar«, erwiderte ich. »Viel Spaß.«
    »Danke, hoffentlich.«
    Wir schwiegen.
    »Du musst keine Angst haben«, meinte ich nach einer Weile. »Sicher nichts Schlimmes. Es wird bestimmt total schön.«
    Ravi räusperte sich. »Du bist so nett.«
    Ich lachte, mir tat alles weh, sogar das Lachen. Mein ganzer Körper tat mir weh. »Ich? Und nett? Das passt nicht.«
    »Doch. Du hast immer für alles Verständnis«, entgegnete er. »Das ist großartig.«
    Stimmte gar nicht, ich hatte für nichts Verständnis, mir war das Verständnis für alles abhandengekommen. Ich verstand ja nicht mal mehr mich selbst. Vielleicht entsprach es ja der Wahrheit, was er sagte. Aber es kam ihm auch zupass, so schien es mir. Ich dachte: Er will sich nicht mit mir zeigen. Ich dachte: Ich bin schmutzig.
    »Vielleicht… nächstes Mal«, meinte Ravi, »wir haben eben immer... auch ganz wenig Stunden füreinander.«
    Dieses Stocken gab mir irgendwie recht. Es würde kein nächstes Mal geben.
    »Ganz klar«, erwiderte ich.
    »Du hast es besser«, meinte Ravi, »deine Eltern sind immer da.«

    »Ja«, sagte ich, »ich hab es gut.« Ich dachte eine Sekunde daran, ihm zu erzählen, dass meine Mutter nicht mehr als Putzfrau im Internat arbeiten würde, aber ich schwieg lieber. Ich wusste eigentlich nicht mehr, warum wir noch immer weiter telefonierten. Ich wollte das beenden, es schmerzte nur und es strengte mich an.
    »Ich muss jetzt aufhören«, sagte

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