Bokeh
seines Schweißes intensiviert sich. „Los, Joschi, lass uns darauf noch einen trinken.“ Wir bekommen Applaus auf dem Weg zur Theke und ein kleiner Teil von mir registriert gehässig, dass Vivian hinter uns herdackelt wie bestellt, und vergesse. Gut so. Aber ach, seine Umarmung ist die eines Männerkumpels, ich weiß es. Bedeutungslos für ihn, bierselig verschenkt. Und wenn schon. So nahe war ich ihm noch nie.
Caleb grinst uns entgegen, deutet eine Verbeugung an. Sein Blick gilt mir und er nickt anerkennend. „Singen kannst du auch noch. Ein echtes Multitalent.“
„Und wie.“ Dirk winkt den Barkeeper heran und drückt mich dennoch fest an sich, als er sich auf den Barhocker niederlässt. „Joschi ist in allem gut. Der Mann kann einfach alles.“ Sein Lob klingt ehrlich, der Druck seines Arms tut gut. Und ich weiß nicht, was ich sagen soll, komme mir wie paralysiert vor. Reiß dich zusammen, Joschi, wie wirkt das denn? Wenn Dirk nicht merkt, was mit mir los ist, Caleb ist bestimmt nicht blind und ich kann niemanden gebrauchen, der um mein Geheimnis weiß. Nicht auszudenken. Das würde mich schwächen, angreifbar machen. Unmöglich.
„Ein echter Profi eben“, wirft Vivian ein und schmiegt sich ungeniert an Dirks andere Seite. Ich lächle sie an und bin wieder ich selbst. „Nur wahres Talent bringt einen voran.“
„Und davon hat er reichlich.“ Noch einmal presst er mich an sich, dann verliere ich die Wärme seiner Umarmung. Der Barkeeper schiebt uns das Bier zu und Vivian quetscht sich zwischen Theke und Dirk, um ihm seins mit einem zuckersüßen Lächeln zu reichen. Damit bin ich raus: Ein Bierglas vor dem Ausschnitt ist halt ein ganz anderes Motiv. Mir bleibt nur Caleb, der mir flüchtig über den Rücken streicht, während ich entschlossen die Hälfte meines Biers in mich kippe.
„Tolle Stimme hast du. Da hört man gerne zu.“ Seine Blicke ziehen mich schon wieder aus und er kommt mir näher, während neben uns Vivian alles dransetzt, um Dirk ins Bett zu bekommen. „Ich würde gerne noch mehr hören.“ Caleb leckt sich über die Lippen, Gier in den dunklen Augen. In mir streiten sich die Instinkte. Mir ist gerade eigentlich nicht nach einem One-Night-Stand, der mir nichts bringt, denn Caleb ist ein Niemand. Wie Vivian, die sich gerade halb auf Dirks Schoss geschoben hat und ihm etwas ins Ohr raunt. Andererseits ist Caleb nicht hässlich und auf jeden Fall mehr interessiert, als … Ich seufze verstohlen, denn Dirk erhebt sich schmunzelnd und zieht Vivian mit sich.
„Wir sehen uns dann morgen.“ Er winkt uns zum Abschied zu, schaut nicht einmal zurück. Mein Blick folgt ihm bis zur Tür, mein Herz noch viel weiter.
„Die werden ihren Spaß haben.“ Calebs Hand legt sich auf meinen Oberschenkel und zwangsläufig betrachte ich ihn als Alternative. Alleine möchte ich jetzt auch nicht ins Hotel zurückkehren. Auf dem Bett liegen und grübeln ist nicht mein Ding.
Ich zucke die Schultern und beugte mich zu Caleb. „Den können wir ja vielleicht auch haben.“ Sein Atem beschleunigt sich sofort, der Druck seiner Hand wird fester. Er schwitzt und er riecht lange nicht so gut wie Dirk. Aber er ist verfügbar, ihn kann ich verführen, er gibt mir das Gefühl, begehrenswert zu sein und ja zum Teufel: Genau das brauche ich gerade jetzt.
Ich kippe den Rest Bier hinab, fahre mir mit dem Zeigefinger über die feuchten Lippen. Ich weiß, dass Caleb jede meiner Bewegungen verfolgt. Er ist geil bis unter die Haarspitzen und er wird genügen.
„Wollen wir?“ Er würde hecheln, wenn er ein Hund wäre. Sabbern tut er bereits. Er nickt und folgt mir hinaus zum Taxi. Wachs in meinen Händen. Aber kein Feuer.
8 Im Rückspiegel
Eins muss man Caleb lassen: Er sieht nicht nur leidlich aus, er hat auch die richtige Idee, denn anstatt die dümmliche Frage: „Zu dir oder zu mir?“, schwülstig in mein Ohr zu hauchen, schickt er den Taxifahrer einfach ungefragt zu seinem Hotel. Das ist mir recht. Zwar ist das keins in meiner üblichen Kategorie - logisch, er ist nur ein einfacher Assistent, kein hochbezahltes Model - aber auch keine völlig versiffte Absteige. Außerdem ist mir definitiv nicht danach, ihn nach unserem, fraglos gleich stattfindenden Vergnügen mühsam hinauszukomplimentieren oder gar ihn am nächsten Morgen noch in meinem Bett vorzufinden. Eigentlich auch nicht danach, mich anschließend durch das nächtliche London zu meinem Hotel chauffieren zu lassen, aber was soll es? In meinem Fünf
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