Bokeh
nichts mehr an, hält seine Unterhose fest umklammert in den bebenden Händen. Nein. Ich runzle die Stirn. Das ist keine Männerunterhose. Diese hat Spitzen.
Er ist meinem Blick gefolgt und hebt grinsend die Hände hoch. Seine Stimme ist heiser vor Erregung: „Zieh das an, ja?“
„Was ist das?“ Irritiert betrachte ich, was er mir entgegen hält. Das ist nicht sein Ernst: Das ist Frauenunterwäsche. Ein filigraner Slip und ein spitzenbesetzter BH. Hat der sie noch alle?
„Bitte. Zieh das an. Du bist so wunderschön, so sexy. Ich will dich darin sehen, dir langsam den BH ausziehen und dich ...“ Caleb ist aufgestanden und fügt hauchend hinzu: „... ficken.“
Oh Mist, so einer ist er? Ach Mann Joschi, du hast aber heute echt die Arschkarte gezogen. Er ist beileibe nicht der Erste, der es überaus geil findet, einen Mann in Frauenkleidern zu beglücken. Jeder hat so seinen Fetisch. Aber, hey, ich bin definitiv ein Mann. Ohne Diskussion. Auch wenn ich in Frauenkleidern umwerfend aussehe, habe ich keinen Bock, im Bett einen auf Weibchen zu machen.
„Joschi, bitte, zieh es für mich an.“ Seine Lippen streifen meinen Hals, er drückt mir die Wäsche entgegen, reibt seinen Steifen an mir. Ich mag seinen Geruch nicht. Grob stoße ich ihn zurück. Dieser verfickte Tag könnte nicht schlechter enden.
„Ich bin keine Transe“, zische ich und bin auch schon bei meinen Klamotten. Ich will hier raus, zurück in mein Hotelzimmer, mir die Decke über den Kopf ziehen und … einfach nur noch schlafen. So eine verdammte Scheiße.
„Komm schon, was ist dabei?“ Caleb gibt nicht so leicht auf. Flehend sieht er mich an. „Du schaust umwerfend darin aus, ich weiß es. Du hast die perfekte Figur, du machst mich so geil wie keiner zuvor.“ Er greift sich in den Schritt und endlich schaue ich auch da hin. Nein, so viel entgeht mir nicht. Und selbst wenn er stolze dreißig Zentimeter hätte, in einem Frauenslip lasse ich mich ganz bestimmt nicht ficken.
„Du mich nicht“, gebe ich zurück und bin schon in meine Jeans geschlüpft. Ich bin Profi, es ist mein Job, mich schnell umzuziehen, das kommt mir mal wieder zugute. Ruckzuck bin ich angezogen.
„Joschi, bitte. Du kannst doch jetzt nicht einfach so abhauen.“ Kann ich doch. Da kann er lange flehen, der Zug ist abgefahren. Ich bin echt stinksauer. So ein dämlicher Tag. Nicht mal ein Frustfick ist drin.
„Fick dich.“ Die Tür fällt hinter mir ins Schloss und ich eile hinaus.
„Bestellen Sie mir ein Taxi.“ Der Nachtportier lächelt geschäftsmäßig und fragt nicht weiter nach. Guter Mann. Ich mag Profis. Kurz danach sitze ich im Taxi und schließe die Augen.
Was für ein verfluchter Scheißtag. Und morgen …
Morgen bin ich wieder im Studio vor der Kamera. Mit Dirk.
Und Caleb.
9 Hinter Glas
„Bringe ich Ihnen sofort hinauf.“
Die junge Frau an der Rezeption meines Hotels lächelt mich verbindlich an. Ganz gewiss ist sie Schlimmeres gewöhnt, als eine Flasche des teuersten Champagners nachts um 1 Uhr in die Suite eines offenbar ohne Gesellschaft heimkehrenden Mannes zu liefern.
Mir wäre auch nach was Stärkerem, aber ich bin diszipliniert genug. Dirk Landers ist zum Glück kein Frühaufsteher. Vor 12 Uhr legt er nicht los, sodass ich auch erst um 11 Uhr zum Stylen und Schminken im Studio auftauchen muss. Dennoch ist ein Kater unprofessionell und ich bin alles andere als das.
Ausziehen, duschen. Ich fühle mich schmutzig überall, will das Gefühl von Calebs Händen auf mir dringend loswerden. Eine lange, heiße Dusche; das tut mir gut, spült unangenehme Bilder fort. Ein Ritual.
Ich liebe meinen Körper. Ich mag es, meine Finger über die Haut gleiten zu lassen, die flachen Muskeln zu spüren. Ich bin perfekt, ich bin wunderschön und absolut außergewöhnlich. Ich bin all das, was zu einem Künstler wie Dirk passen würde, der Einzige, der an seiner Seite bestehen könnte, der ihn unterstützt, für ihn da ist, ihn versteht. Niemand kann das so wie ich. Wenn er mich nur wahrnehmen würde.
Das Wasser verwandelt meine Haare in seidige Strähnen aus hellem blond. Sie funkeln im künstlichen Licht wie flüssiges Silber. Ganz weich und überwältigend schön. Ich erinnere mich an Unterwasseraufnahmen, nicht mit Dirk, ein anderer, auch ein guter Fotograf, in den blauen Wassern der Karibik. Meine Haare waren damals noch länger und ich konnte sie treiben lassen, sie umflossen mich schwerelos. Das war unglaublich faszinierend, die späteren Fotos:
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