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Bokeh

Bokeh

Titel: Bokeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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unter meinem Niveau und unter normalen Umständen würde ich keine Nacht hier bleiben.
    Ich muss echt verrückt sein. Nein: Ich bin verrückt: Zwei Nächte werde ich hier hausen müssen, nur weil ich ihm nahe sein will. Wenigstens ist es halbwegs sauber und es kommt sogar warmes Wasser aus der Leitung. Immerhin etwas.
    Dirk hat mich vorgewarnt, dass das Set rustikal sein wird und ich habe zum Glück auch ein paar ältere und feste Schuhe dabei. Keine Ahnung, was er vorhat, aber nun bin ich hier und werde auch gute Miene zum Spiel machen.
    Ich lächele mein Spiegelbild an, als Dirk an der Tür klopft. Du kannst das, Joschi. Du kannst alles sein, was er will. Du wirst strahlen und Profi sein. Auch in diesem Ort an der Peripherie der zivilisierten Welt.

    14 Natürliche Schönheit

    Rustikal ist … untertrieben.
    Mir fallen einige weniger schmeichelhafte Begriffe dafür ein. Ein Wunder, dass wir Strom haben und das auch nur, weil ein stinkender, irre lauter Generator dafür sorgt.
    Dirks Team besteht lediglich aus drei Menschen und zu meinem Leidwesen ist Caleb einer davon. Er behandelt mich kühl, wirft mir jedoch ab und an Blicke zu, die eindeutig nicht auf liebreizender Anziehung beruhen. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich dieser Schmeißfliege hier begegnen würde. Er ist das i-Tüpfelchen auf meiner schlechten Laune. Den Rest besorgen diese karge Felsenlandschaft und der modderige Boden.
    Meine Stiefel sehen aus, als ob ich durch eine Jauchegrube gelaufen wäre, und stinken bestimmt genauso. Eins ist klar: Sie werden definitiv nicht den Rückweg nach Deutschland mit mir antreten. Und meine Jeans hat auch schon Schlammspritzer. Dabei hat Dirk mich nur herumgeführt.
    Landschaftsaufnahmen für einen Kalender macht er hier, redet von den Orten, die sie bereits besucht haben. Wasserfälle, besondere Höhlen, Steppenlandschaft. Er kann sich da wirklich für begeistern.
    „Und dann kam mir hier die Idee.“ Er erzählt wie ein Wasserfall von der besonderen Schönheit dieser Felsformationen, dass sie in ihrer einfachen Rauheit genial in sein Konzept der Gegensätze passen würden.
    Ich bin nicht nur besessen von ihm, sondern muss irgendwann mit dem Kopf heftig gegen eine Tür geprallt sein, denn auch wenn ich diesen Ort am liebsten sofort gegen mein Hotelzimmer eintauschen würde - und zwar momentan auch dieses hinterwäldlerische hier - hänge ich an seinen Lippen, sauge seine Bewegungen in mich auf.
    Was für ein Mann. Der Wind zerrt an seinen Haaren, zupft ihm Strähnen heraus und ich genieße es tatsächlich neben ihm herumzukraxeln, auch wenn ich danach bestimmt furchtbar aussehen werde und hoffe, mir dabei keine Gräten zu brechen. Lisa würde mich umbringen.
    Verdammt, Dirk kann mit so viel Leidenschaft reden, skizziert mir ein ganz anderes Bild dieser Einöde. Wenn er von der Faszination schnöder Felsen als Hintergrund für Aufnahmen menschlicher Perfektion erzählt, und ja, damit meint er wirklich mich, dann entdecke ich diese ebenfalls. Verrückt. Irgendwie benebelt er mir den Verstand. Dabei bleiben es wirklich nur … hässliche Steine, über die man mühsam klettern muss.
    Das ist also Dirks Idee: eine trostlose, Landschaft, gespickt mit Felsgeröll, großen, kleinen, mittleren grauen Steinen und dazwischen ich. Toll.
    „Ungeschminkt, einfach, ganz natürlich. Nur ein Mensch, der sich in der Natur bewegt, ein Teil davon ist. Du bist perfekt dafür, Joschi. Deine Androgynität symbolisiert die Menschheit an sich. Mann oder Frau, völlig unwichtig vor der Kulisse dieser Formationen. Deine Schönheit setzt genau den Kontrast zu dieser ursprünglichen Landschaft, den ich haben will. Unschuldig und zerbrechlich angesichts dieser uralten Felsen. Du bist absolut richtig dafür.“
    Zumindest dafür. Du ahnst gar nicht, wie richtig ich noch ganz woanders wäre. In deinem Bett, in deinem Leben. Unschuldig? Ich muss ein Schmunzeln unterdrücken. Und zerbrechlich? Hast du eine Ahnung. Moment: ungeschminkt?
    „Ungeschminkt?“
    „Einfach nur du.“ Dirk nickt enthusiastisch. Er strahlt mich an und meine Knie werden weich. Sieht er dieses Mal mich an? Mich? Oder doch nur das Model? Ungeschminkt vor die Kamera? Was für eine verrückte Idee. Ich fühle mich überfordert und verunsichert. Ein mieses Gefühl. Ich mag es nicht und weiß partout nicht, wie ich angemessen reagieren soll. Also schaue ich weg, lasse den Blick anscheinend prüfend über Dirks Set wandern. Mir ist nicht wohl dabei. Ich weiß nicht,

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