Bokeh
mal auf.
Es ist ein schöner Tag, und auch wenn ich immer wieder auf mein Handy schaue, genieße ich die Ruhe. Keine Show erwartet mich, keine tausend Menschen, die etwas von mir wollen. Ungewohnt ruhig. Zugleich weiß ich noch immer nicht genau, was Dirk dieses Wochenende vorhat. Spannung und Anspannung wechseln. Es wird um Aufnahmen gehen, nur welcher Art? Was ist ihm für eine Idee gekommen? Egal was, sie wird gut sein. All seine Ideen sind genial und ich bin froh, ein Teil davon zu sein.
Er hat dabei an mich gedacht … Ein schöner Gedanke, der in mir kribbelt.
Erneut brummt mein Handy. Augenblicklich jagt mein Puls in die Höhe.
„Hey, Joschi, ich stehe hier hinten. Schau mal nach links.“ Ich hebe den Kopf und sehe ihn winken. Schmunzelnd schnappe ich mir meinen Koffer und gehe auf ihn zu. Langsam genug, um alles an ihm aufzusaugen.
Der Bart ist ab. Zum Glück. Dieser feine Schatten steht ihm so viel besser, bringt sein kantiges Kinn zur Geltung. Die Haare hat er offen. Eine wilde Mähne, die der Wind ihm zerzaust. Sein Lächeln ist strahlender Sonnenschein, erwärmt mich bis in die Zehenspitzen. Er trägt eine Jeans, die von keinem Designer, sondern durch Gebrauch abgewetzt und auch nicht gerade sauber ist. Sein Hemd ist halb offen und ich zerschmelze beim Anblick der dichten Haare.
„Schön, dass du da bist. Hat alles geklappt?“ Dirks Lächeln ist offen und er schaut mich direkt an. Heute erscheint er mir ungewöhnlich fokussiert, ihm fehlt die Fahrigkeit. Das bin ich nicht gewöhnt. Es ist irritierend. Sonst bewege ich mich immer an der Peripherie seiner Aufmerksamkeit. Es ist ungleich schwerer, in ihrem Zentrum zu stehen.
Und sich nichts anmerken zu lassen. Sei Profi, sei wie immer, sei der Beste.
„Der Flug war ein wenig unruhig. Aber keine Verspätung und hier ist eindeutig besseres Wetter, wie du es mir versprochen hast.“ Ich schenke ihm mein unverbindliches Lächeln. Er nickt, packt meinen Koffer und verstaut ihn im Kofferraum des Geländewagens. Ein ganz neuer Pathfinder, allerdings ziemlich verdreckt. Überall sind Schlammspritzer dran. Ich muss aufpassen, damit ich mir meine Hose nicht einsaue.
„Ich bringe dich erstmal ins Hotel, da kannst du deine Sachen lassen. Ist keins von der ganz noblen Sorte, hier ist alles ein wenig einfacher. Dann fahren wir raus zum Set. Heute werde ich nur ein wenig ausprobieren, die Sonne wird für wirklich gute Aufnahmen schon zu tief stehen. Morgen legen wir ganz früh los, wenn die ersten Strahlen über die Berge kommen.“ Dirk sprüht vor Enthusiasmus, ich kann es spüren. Auch das ist ein wenig anders als sonst. Modenaufnahmen sind eben nur ein Job. Dies hier scheint er mehr zu lieben.
Auf der Fahrt zum Hotel erzählt er von der wunderbaren Landschaft, den Bergen und besondere Steinformationen, und auch wenn ich seine Begeisterung nicht ganz teilen kann - ich liebe nun mal Städte und solides Pflaster unter meinen Füßen, den vertrauten Geruch von CO2- werde ich neugierig darauf, was ihn daran derartig gepackt hat.
Noch immer rückt er nicht mit den ganzen Plänen heraus und ich frage nicht nach. Er wird es mir schon erzählen, wenn es so weit ist. Ich höre ihm gerne zu. Seine Leidenschaft ist mitreißend. Feuerdirk eben. Mit Feuereifer bei der Sache. Was er tut, macht er mit ganzem Herzen und voller Begeisterung.
Wie würde er im Bett sein? Meine Gedanken schweifen natürlich ab, kräuseln sich wie die rotbraunen Haare auf seiner Brust. Obwohl ich selbst, berufsbedingt, peinlich genau darauf achte, meine Körperhaare zu entfernen, liebe ich die Zeichen ursprünglicher Männlichkeit bei ihm.
Ich rieche den Arbeitstag, der hinter ihm liegt, den entfernten Duft von Gras und Staub, gemischt mit seinem Odeur. Das Fenster ist leicht geöffnet und der Fahrtwind bringt zusätzlich die Gerüche des Landes mit. Wir fahren gut eine Stunde und die Gegend wird immer ländlicher.
Leise Besorgnis bezüglich des Hotels überkommt mich. In dieser Wallachei gibt es todsicher nicht mal ein Drei-Sterne-Hotel. Hoffentlich auch keine Kakerlaken im Zimmer. Wenn nicht Dirk der Auftraggeber wäre, ich hätte schon Lisa angerufen.
Nein, das Hotel hat gerade mal zwei Sterne und wer weiß, wann und wer die vergeben hat. Und der Ort verdient kaum die Bezeichnung Stadt. Nicht mal Dorf. Einzig der Gedanke, dass Dirk nur zwei Türen weiter auf demselben Gang sein Zimmer hat, lässt mich den Schritt in das kleine, leicht muffig riechende Zimmer setzen. Das hier ist weit
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