Bokeh
folgt dem nächsten und zwischen Laufsteg, Partys und in fremden Betten finde ich Vergessen. Mein Leben ist erfüllt von Ruhm, Glanz und viel Geld.
Meine Mutter überlegt, in ein größeres Haus umzuziehen, mein Vater führt stolz den neuen Mercedes vor. Drei weitere Titelblätter ziert mein Foto. Eine Interviewanfrage der Vogue. Was will man mehr?
Auf meinen lächelnden Lippen das Brennen eines vergangenen Kusses. Im Herzen eingeschlossen sein Bild. In meinen Augen die Herausforderung an die ganze Welt. Schaut mich an: Ich bin schön, ich bin vollkommen, ich bin glücklich.
Ich habe ein tolles Leben, ich mag es.
Alles ist perfekt.
Fast.
12 Sonnenlicht
Ich langweile mich.
In Hamburg ist schlechtes Wetter, vor dem großen Panoramafenster meiner Wohnung alles düster und grau. Regen prasselt gegen die Scheibe. Ein ziemlich nerviges Geräusch. Nicht so schlimm wie die endlos sinnbefreiten Dialoge der Schauspieler im Fernsehen. Ich habe den Ton abgeschaltet. Ich liege ohnehin nur mit geschlossenen Augen auf meinem Kanapee. Der Film findet flimmernd hinter meinen Lidern statt und beinhaltet gänzlich andere Darsteller.
Ich sehne mich nach Sonnenlicht und warmer Luft. Ich habe keine Motivation aufzustehen, mag nicht telefonieren und mich über Belanglosigkeiten unterhalten. Mein Leben ist gerade ziemlich öde. Ich habe die nächsten zehn Tage keine Termine. Ich könnte irgendwo in die Sonne fliegen, Urlaub machen, oder Shoppen gehen, aber ich habe auch dazu überhaupt keine Lust.
Lisa ist im Stress, bereitet eine große Modenschau für Kindermode vor und pendelt andauernd zwischen Paris und München. Ja, sie ruft gelegentlich an, hat allerdings nichts wirklich Interessantes zu erzählen. Zu meinen Eltern zu fahren habe ich auch keine Lust. Mein Vater hält mir dann immer kluge Vorträge, wie ich mein Geld anlegen soll, dabei habe ich längst einen Typen bei der Bank, der das für mich erledigt. Interessiert mich nicht wirklich. Solange genug Geld auf meinem Konto ist, wenn ich es brauche, ist es mir völlig egal, was mit dem Rest passiert.
Und meine Mutter? Ach, wir reden eigentlich schon seit meinem vierzehnten Lebensjahr aneinander vorbei. Was hat sie mich bequatscht, dass ich eine ordentliche Lehre machen soll, Abitur, studieren, meinem Leben eine solide Grundalge schaffen sollte. Dabei habe ich schon mit sechzehn an einem einzigen Tag modeln mehr verdient, als mein Vater in zwei Monaten. Das Geld hat auch sie überzeugt, aber gelegentlich fängt sie wieder mit dem Unsinn an. Und natürlich der Frage nach einer Freundin. Sie wissen beide nicht, dass ich lieber einen echten Mann in meinem Bett habe.
Einen besonderen Mann.
Dirk ist in der Ukraine. Ich weiß fast immer, wo er gerade ist und Fotos macht. Auch ich habe meine Beziehungen. Ich spiele verwegen mit dem Gedanken, hinzufliegen und ihn heimlich bei der Arbeit zu beobachten. Nur wenn er mich entdecken sollte, käme ich in arge Erklärungsnot. Ziemlich verrückte Gedanken.
Ich könnte vielleicht ins Studio gehen und trainieren. Das ist ein ganz exklusives und gelegentlich trifft man dort was Vernünftiges, neben den ganzen Wichtigtuern, der Prominenz und Schickeria Hamburgs. So wirklich nach Sex ist mir jedoch auch gerade nicht. Nein, ich will mich eigentlich gar nicht bewegen.
Mein Handy brummt und ich bin zu faul aufzustehen. Lisa? Eher nicht, ist dafür zu früh am Tag. Irgendein unbedeutender Anruf. Dennoch, als es erneut brummt, erhebe ich mich seufzend und schaue nach. Mein Herz macht einen Salto: Dirks Nummer. Er ruft mich an. Wieso? Was will er? Er ruft höchst selten an, wenn wir nicht irgendwo zusammenarbeiten. Ist er zurück? In Hamburg, so nahe?
„Hallo?“ Meine Stimme ist fest. Man merkt ihr nichts an. Perfekte Selbstbeherrschung, langjähriges Training.
„Joschi?“ Der Empfang ist schlecht, es rauscht und knackt. Ob er aus der Ukraine anruft? Ist etwas passiert? „Ich habe gerade nicht viel Zeit, aber sag: Bist du am Wochenende schon gebucht worden? Mir ist da so eine Idee gekommen.“
Typisch Dirk. Er ist spontan und ungeduldig, seine Ideen will er immer sofort umsetzen. Ich bin dennoch ein wenig irritiert. Meine Termine laufen alle über die Agentur. Das weiß er doch.
„Nein ...“, beginne ich, er unterbricht mich jedoch sofort begeistert: „Prima, dann kannst du ja herkommen. Ich buche dir einen Flug und hole dich am Flughafen ab. Kalkuliere mal das Wochenende von Freitag bis Sonntag ein.“
„Dann musst du aber mit
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