Bold, Emely
Lettern über den Pfeilen. Ich hielt mein Amulett hoch und verglich die beiden Schriftzüge.
Die lesbaren Buchstaben waren identisch. Zwar war mein Amulett sehr viel filigraner und weicher gestaltet, als das nüchterne Wappen, aber die Bedeutung der beiden musste dieselbe sein. Doch selbst wenn ich nun die Worte lesen konnte, verstehen konnte ich sie noch immer nicht.
Im Laden war nun sehr viel weniger los, als noch vor einigen Minuten und ich suchte die Verkäuferin. Die rothaarige Frau stand gelangweilt an der Kasse und blätterte in einem Magazin. Vermutlich erholte sie sich von dem Ansturm, den sie gerade überstanden hatte. Geduldig wartete ich, dass sie von ihrer Lektüre aufsah, doch sie ignorierte mich gekonnt.
„Ähm, Entschuldigung.“
Sie sah kurz auf, ehe sie sich wieder der Zeitschrift zuwandte.
„Ja, bitte?“, brachte sie gerade so heraus.
„Dieses Wappen, …“
„Zwölf Pfund, steht an dem Ständer!“, unterbrach sie meine Frage und blätterte auf die nächste Seite. Der reißerische Titel dieser Seite lautete „ Brangelina am Ende ?“ und ich konnte mir gut vorstellen, dass die täglich wiederkehrenden Fragen unzähliger Touristen mit Sicherheit nicht so spannend waren, wie das Liebesleben der Stars. Trotzdem wollte ich doch wirklich gerne eine Antwort auf meine Frage bekommen. Leicht entnervt legte ich meine Hand mit dem Wappen mitten auf das strahlende Hollywoodpaar.
„Nein, sie verstehen mich nicht!“, erklärte ich bestimmt.
„Ich möchte es nicht kaufen, sondern gerne wissen, was dieser Schriftzug bedeutet.“
Die Rothaarige zog ihr Magazin zurück und legte es unter den Tresen. Dann strich sie ihr Shirt glatt und antwortete schnippisch:
„Doch, ich verstehe. Nur leider ist es so, dass ich keine Auskunft bin. Ich bin Verkäuferin, und wenn sie diese gälische Schrift übersetzen möchten, dann lege ich ihnen eines dieser Wörterbücher ans Herz, …“, sie deutete auf einen Tisch hinter mir, auf dem diverse Wörterbücher, Reiseführer und Straßenkarten aufgebaut waren.
„… oder sie sehen sich die Bücher über die Geschichte der Clans an.“
Damit war ich entlassen und Cathy - ihr Name stand auf einem gelben Schild an ihrem Shirt - begann das Kleingeld in der Kasse zu ordnen.
„Ach, übrigens: wir schließen in fünf Minuten!“, rief sie mir nach, als ich mich über die Wörterbücher beugte.
Na super! Wie sollte ich bei dieser riesigen Auswahl in fünf Minuten das Passende finden?
Ich blätterte durch die dünneren Hefte, doch außer wie man sich auf Gälisch nach einem Zimmer mit Frühstück erkundigt (càite am faigh mi leabaidh is bracaist an-seo?), kam ich nicht weiter.
Cathy räusperte sich bereits hinter mir und wedelte mit dem Schlüsselbund. Ich ignorierte sie noch eine weitere Minute, doch dann kapitulierte ich. Unzufrieden bezahlte ich meine zwölf Pfund für das Wappen der Camerons und trat hinaus an die frische Luft. Der Parkplatz vor dem Souvenirshop lag verlassen vor mir. Cathy folgte mir einen Augenblick später hinaus und sperrte die Tür hinter sich ab. Mit einem abschätzenden Blick auf mich hastete sie zu ihrem Wagen, schwang sich hinter das Steuer und brauste davon. Erst jetzt begann ich mich zu fragen, wieso ich eigentlich mutterseelenallein vor den beängstigenden Ruinen des Urquarth Castle stand. Wo zur Hölle war meine Reisegruppe und mein glatzköpfiger Führer? Und wo war der verdammte Bus? Erschrocken blickte ich um mich, in der Hoffnung es gäbe noch einen zweiten Parkplatz. Scheiße! Der Wind frischte auf und ein kalter Schauer fuhr mir unter die Jacke, während ich auf dem Parkplatz stand und mich fragte, wo alle waren. Nun gut, dann würde ich eben Roy anrufen müssen, damit er mich abholen würde.
Hektisch wühlte ich in meinem Rucksack nach meinem Handy und meine Panik wurde immer größer. Das Bild, wie ich es achtlos in meinen Koffer warf, nachdem ich alle für Schottland wichtigen Nummern und Adressen eingespeichert hatte, schob sich vor mein geistiges Auge.
Oh nein! Mist! Bitte, das darf doch nicht wahr sein!
Ich stand auf und ging unruhig auf und ab. Scheiße!
Was sollte ich jetzt tun? Ich könnte abwarten, denn irgendwann würde doch sicherlich jemandem in meiner Gruppe auffallen, dass ich nicht da war. Oder selbst wenn nicht, dann würde doch Alison bemerken, dass ich nicht nach Hause käme. Doch woher sollte sie wissen, wo ich war?
Es donnerte. Die Nacht brach bereits herein und eine mächtige schwarze
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