Bold, Emely
herausfinden. Er hatte sie beobachtet, wie sie in den Bus gestiegen war. Hatte sich ins Auto gesetzt und war ihr gefolgt. Während der Fahrt überlegte er, wie es weiter gehen sollte. Etwas Gravierendes war geschehen. Etwas hatte sich verändert. Er war nicht länger stumpf und ohne Gefühl. Auch wenn der Schmerz in ihrer Nähe gerade so auszuhalten war, strengte es ihn doch unheimlich an. Es raubte ihm jegliche Kraft. Wenn er sich an die Qualen erinnerte, wie sie ihn berührt hatte, als sie auf sein Motorrad gestiegen war, durchfuhr es ihn noch immer wie ein Blitz.
Schon bei seinem ersten zufälligen Zusammentreffen mit ihr hatte er diesen Schmerz verspürt. Vermutlich hatte er deshalb die Kontrolle über sein Motorrad verloren und sie beinahe umgefahren. Und nur aus diesem Grund hatte er angehalten und sie angesehen.
Obwohl das heiße Wasser über seinen Körper lief, hatte Payton eine Gänsehaut. Wann hatte er zuletzt eine Gänsehaut gehabt? 1740?
Kräftig rieb er mit seinen Händen über die aufgerichteten Haare und versuchte das erdrückende Gefühl dieses Tages abzuwaschen. Er war ihr gefolgt, hatte sie das Monument besteigen sehen und sich gefragt, ob er es schaffen konnte, ihr so nahe zu sein. Voller Angst war er ihr schwach und zitternd hinterhergestiegen:
Sie stand in der Sonne, leuchtete golden und ihr Gesicht lag im Schatten. Obwohl er ihr schon so lange gefolgt war, hatte er sie noch nie richtig gesehen. Auch jetzt wandte sie ihm den Rücken zu. Zum Glück, denn der heiße Schmerz, der ihn durchfuhr, brach aus ihm heraus. Er versuchte ein Stöhnen zu unterdrücken und holte mehrere Male tief Atem, ehe er sich wieder unter Kontrolle hatte. Er ballte die Fäuste. Nach wenigen Minuten konnte er etwas leichter atmen und er wusste, der Schmerz war zumindest kurzzeitig auszuhalten. Sie durfte nur um Gottes willen nicht noch näher kommen. Dann geschah das Unerwartete und doch eigentlich Logische. Sie sprach ihn an.
Dieses Gesicht! Konnte das wirklich wahr sein?
Nein! Er musste sich täuschen! Das war unmöglich! Absolut unmöglich! Und doch – es würde zumindest alles irgendwie erklären!
Von da an hatte es für ihn nur noch eine Möglichkeit gegeben. Er musste sich dem stellen und alles über sie herausfinden.
Payton drehte das Wasser ab und schlug sich ein Handtuch um die Hüften. Auch sie hatte etwas gespürt, dessen war er sich sicher. Etwas, das über die einfache Neugier hinausging. Spätestens als sie sich entschieden hatte, dass er sie fahren sollte, war ihm das klar geworden. Für sie beide schien dies alles irgendeine große Bedeutung zu haben.
Im Laufe des Tages hatte sie ihn mehrfach berührt. Zuerst auf dem Monument. Da die Berührung so unerwartet kam, hatte er instinktiv die Hand zurückgerissen. So würde jeder handeln, wenn er glühendes Eisen berühren würde. Und genau damit konnte Payton es vergleichen. Auch lange, nachdem sie ihn losgelassen hatte, brannte seine Haut dort, wo ihre Finger gelegen hatten. Doch wenn er etwas zurückwich, schwand langsam das Brennen und wurde zu einem stetigen Druck auf seinen ganzen Körper. Das konnte er ertragen. Solange sie diese Distanz hielten, konnte er bei ihr sein. Zumindest, bis er wusste, was mit ihm geschah. Später hatte er ihr von sich aus die Hand geboten. Aber selbst das eiskalte Wasser, durch das sie wateten, hatte es nicht vermocht, die schmerzliche Hitze ihrer Berührung zu lindern.
Beinahe wahnsinnig vor Angst hatte er sich vorgestellt, wie es sich anfühlen mochte, mit ihr in seinem Wagen zu sitzen. So nahe! So qualvoll!
Die ganze Zeit über hatte er eine beinahe übermenschliche Selbstbeherrschung an den Tag gelegt und dabei das Zusammensein mit ihr sogar genossen. Seit Ewigkeiten war sie der erste Mensch, mit dem er gesprochen hatte. Abgesehen von seiner Familie. Darum hatte es ihn umso mehr gefreut, als sie gefragt hatte, ob sie sich wieder sehen würden.
Wie gerne er sie wieder sehen wollte. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Doch der Wichtigste war, dass er noch immer keine Antwort auf die Frage hatte, was mit ihm los war.
Sie hatte den Stein ins Rollen gebracht! Was mochte es sie beide kosten, diesen Stein wieder anzuhalten?
Payton sah sie wanken. Wie in seiner Erinnerung. Sie taumelte rückwärts. Genau wie damals. Und ebenso wie damals war er wie gelähmt. Er wollte sich bewegen, ihr zu Hilfe eilen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Zu spät erreichte er sie, griff verzweifelt nach ihrem
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