Bold, Emely
Niemand weiß, wo du bist und damit bist du mir hilflos ausgeliefert. Du solltest dich also lieber fügen und mir gehorchen.“
„Gehorchen? Du spinnst doch! Aber gut, dafür zahle ich dann das Essen, okay?“
Lachend griff ich nach seinem Arm. Ich zog ihn weiter, doch er löste gleich meine Hand von seinem Arm. Wieder einmal war ich echt irritiert. Zwischen uns war alles super. So einfach. Ich hatte mich noch nie so wohl gefühlt und ich wusste, dass es ihm ebenso gefiel. Doch trotzdem hielt er eisern Abstand und berührte mich von sich aus nie. Und wenn ich ihn dann zufällig oder unbewusst berührte, zuckte er zurück. Was sollte das? Es war ja nun wirklich nicht so, als würde ich auf ihn stehen. Nein, wirklich nicht. Na gut, ich fand ihn schon irgendwie süß, aber das war auch schon alles. Also warum ärgerte ich mich über seine Distanz? Vermutlich, weil es einmal mehr zeigte, wie unattraktiv mich die Jungs im Allgemeinen so fanden.
Mürrisch ging ich voran.
„Kommst du jetzt endlich?“
Meine gute Laune hatte einen gewaltigen Dämpfer bekommen, doch schon nach wenigen Minuten konnte ich ihm nicht länger böse sein. Das Castle war großartig. Die Außenanlagen waren zwar viel kleiner als die Ruine am Loch Ness, doch dafür waren im Inneren die Räume teilweise möbliert und ich stellte mir vor, wie das Leben damals wohl ausgesehen haben mochte.
Mit Payton an meiner Seite hätte ich vermutlich auch zu damaligen Zeiten einen guten Beschützer gehabt.
„Wie alt bist du eigentlich?“, wollte ich wissen.
Er lies sich lange Zeit mit der Antwort.
„Neunzehn. Darf ich dir eigentlich auch Fragen stellen, oder werde nur ich ausgequetscht?“
„Das ist bereits eine Frage.“
Er hob die Augenbraue und wippte wartend mit dem Fuß.
„Na gut, ich habe eine Idee: Heute beantwortest du mir meine Fragen und dafür beantworte ich dir drei von deinen Fragen.“
Ich lächelte mein schönstes Lächeln und klimperte verführerisch mit den Wimpern.
„Drei scheint mir doch etwas wenig.“, versuchte Payton zu handeln.
„Na gut.“, stimmte er dann plötzlich doch zu. „Unter einer Bedingung, ich werde versuchen alle deine Fragen zu beantworten, aber dafür will ich, dass deine drei Antworten die absolute Wahrheit sind.“
Darüber musste nun ich erst einmal nachdenken. Warum nahm er an, ich würde ihm nicht die Wahrheit sagen? Egal, ich hatte sowieso keine Geheimnisse.
„Abgemacht!“
Ich streckte ihm die Hand entgegen und nach kurzem Zögern schlug er ein.
Um ihn zu ärgern, fragte ich ihn nun tatsächlich eine halbe Stunde am Stück aus, und wie er versprochen hatte, beantwortete er mir jede meiner Fragen. So erfuhr ich von seinen beiden Brüdern Sean und Blair. Davon, dass er als Kind einen riesigen grauen Wolfshund namens Lou hatte und dass er es liebte, nachts am Strand zu sein.
„Ja, das geht mir genauso. Meine Eltern haben ein Haus am Silverlake und mein Dad und ich, wir haben schon tausend Mal am Strand übernachtet. Es gibt nichts Schöneres!“
Plötzlich überkam mich das Heimweh. Seit fast zwei Wochen war ich nun schon von Zuhause weg. Ich vermisste meine Eltern, und vor allem Kim. Ob sie noch mit Justin zusammen war? Morgen würde ich sie auf jeden Fall anrufen.
Paytons Fingerspitze hob mein Kinn an.
„Alles klar? Du siehst so traurig aus?“
Seine Stimme war sanft und besorgt.
„Ja, es geht wieder. Ich war nur noch nie so weit von Zuhause weg.“
„Ich könnte dein Heimweh lindern. Es gibt hier auch schöne Strände, allerdings ist es jetzt schon etwas spät. Es wäre später Nachmittag, bis wir dort wären.“
„Das macht eigentlich nichts. Es sei denn, du hast nicht so lange Zeit, denn ich muss erst morgen Abend wieder in Aviemore sein.“
Lange Zeit sagte Payton kein Wort, sondern sah mir nur tief in die Augen. Ich wurde nervös. Passte ihm das nicht? Wollte er mich lieber wieder loswerden?
Er stöhnte, lachte dann und antwortete:
„Okay, ich weiß zwar beim besten Willen nicht, wie ich das überleben soll, aber es ist einen Versuch wert.“
Ich war verwirrt. War ich etwa gefährlich? Es musste doch Unterschiede in der Sprache geben, denn oft ergaben seine Worte für mich keinen Sinn.
„Du kannst mich auch später in ein Motel oder so bringen, wir müssen ja nicht die ganze Zeit zusammen sein.“, versuchte ich mich zu entschuldigen.
„Ach was, das wird schon gehen! Ich wusste nur nicht, dass du vorhattest, die Nacht mit mir zu verbringen.“
Payton zwinkerte
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