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Bombay Smiles

Bombay Smiles

Titel: Bombay Smiles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Sanllorente
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werden. Ein Ertrinkender kann keinen retten.
    An eine Nacht erinnere ich mich besonders gut. Es war die Nacht, bevor ich den Namen für meine Organisation eintragen lassen musste. Bei der Generalitat hatte ich die Information bekommen, dass ein vorläufiges Dokument erstellt werden könnte, damit die »Finanzlöcher im Etat des Waisenhauses vorläufig gestopft werden«, wie es hieß - doch auf einen Namen musste ich mich jetzt schon festlegen.
    Mir gingen eine Menge Ideen durch den Kopf. Auf meinem Nachttisch lagen ein Block und ein Kugelschreiber, weil ich sie sammeln wollte.
    Ich schloss die Augen und rief mir die Gesichter der Kinder im Kartika Home in Erinnerung. Mein Herz hat sich für sie entschieden, dachte ich, dann soll es jetzt auch über den richtigen Namen entscheiden.
    Geschlossenen Auges flog ich um die halbe Welt. Hoch über Italien flog ich, den mittleren Osten … In schwindelerregender Höhe überquerte ich jene Ruinen in Jordanien, die ich bei meiner ersten Reise besucht hatte, flog über das Arabische Meer, in das
ich erst vor wenigen Wochen meine Füße getaucht hatte … zuletzt landete ich im Kartika Home. Ich sah Pooja, Rohit, Shakuntala, Priyanka, Goopta … sah ihnen beim Spielen zu, beim Lachen, Singen, dabei, wie sie ihre Zöpfe flochten und sich die Haare mit Kokosöl einrieben, bevor sie in die Garage neben dem kleinen Haus zum Unterricht zusammenkamen.
    Es war doch sonnenklar. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Egal, ob es heiß oder kalt war, hell oder dunkel - diese Kinder lächelten immer!
    Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett. Ich schaltete die Nachttischlampe ein, nahm den Stift zur Hand und schrieb auf den Block: Sonrisas.
    Zufrieden und ruhig legte ich mich wieder ins Bett, obwohl ein Wort allein nicht ausreichte. Die Anwältinnen in der Generalitat hatten mir gesagt, dass der Name aussagekräftig sein müsse und - nach Möglichkeit - die Funktion der Einrichtung erfassen oder jenen Ortsnamen beinhalten sollte, wo sie sich befand.
    Ich schaltete die Lampe noch einmal ein, nahm den Block in die Hand und ergänzte: Sonrisas de Bombay.
    Der Name gefiel mir sehr. Es gab keinen besseren für eine Hilfsorganisation für Kinder, die so viel lächelten. So strahlend lächelten, dass sie mir sogar jetzt, vom anderen Ende der Welt, ein Leuchten zu
übermitteln schienen. Kinder mit reinen und unbefleckten Seelen, die in Körpern leben mussten, die von Schmerz und Ungerechtigkeit gezeichnet waren.
    Die Namenseintragung und die Genehmigung geschahen in Höchstgeschwindigkeit.
    Ich informierte Miguel Angelo, damit er die Domain reservieren und mit dem Webdesign beginnen konnte. Die ersten Leute, denen ich den von mir ausgedachten Organisationsnamen nannte, reagierten begeistert.
    In den kommenden Tagen trafen die ersten Geschenke ein, einige missbilligende Worte auch. Ich sprach etliche Leute an. Von morgens um sieben Uhr bis Mitternacht war ich auf Achse. Nicht selten arbeitete ich nachts weiter. Ein Termin jagte den anderen. Ich schlief nicht, aß nichts. Ich handelte im Rausch. Jede verlorene Minute, ja jede Sekunde, die ich verschenkte, konnte dazu führen, dass die Kartika Home-Kinder in einem Bordell landeten; die selbst auferlegte Verpflichtung war mir bereits in Fleisch und Blut übergegangen.
    Viele der Leute, die ich angesprochen hatte, unterstützten mich. Andere allerdings lachten mich offen aus und sagten ohne Umschweife, dass sie nichts davon hielten, anderen zu helfen. Sie wollten ihr Geld lieber für ein nettes Abendessen ausgeben, als für irgendwelche weit entfernten Kinder.

    »Einer allein wird die Welt nicht in Ordnung bringen. Und zwei ebenso wenig«, hörte ich vielfach.
    Jemand schlug mir sogar vor, wir sollten das Geld, das gespendet würde, untereinander aufteilen. Viele Büros verließ ich entsetzt über das völlige Fehlen jeglicher Moral. Glücklicherweise traf ich auch auf Menschen, die ein großes Herz hatten.
    »Was können wir für dich tun?«
    »Für mich gar nichts«, sagte ich dann. »Aber für ein paar Kinder in Bombay könnt ihr sehr viel tun.«
    In solchen Fällen zeigte ich jenen Leuten ein kleines Fotoalbum, das ich zu allen Treffen mitnahm. Ich selbst nahm es oft in die Hand, wenn ich mich mutlos fühlte. Das Lächeln der Kinder auf den Fotografien schenkte mir genug Kraft, um weiterzumachen.
    Bei solcherlei Zusammenkünften konnte ich meine journalistischen Fähigkeiten gut einsetzen - vielleicht hat mich das Schicksal ja diesen Beruf genau

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