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Bombay Smiles

Bombay Smiles

Titel: Bombay Smiles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Sanllorente
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selbst amüsierte - fast immer dasselbe Gericht von der Tageskarte aus.
    Dieses Mal trafen wir uns in der Nähe von Sonias Arbeitsplatz, im Restaurant La Mamasita an der Avenida Sarriá. Sonia und Miguel Angelo waren die ersten
Freunde, denen ich von meiner Entscheidung erzählte. Ich hatte den ganzen Morgen bei der Generalitat de Catalunya, der katalanischen Verwaltung, verbracht und mir von ein paar Rechtsanwältinnen genau erklären lassen, welche Schritte ich auf dem Weg zur Gründung einer Hilfsorganisation zu tun hatte. Die Zeit lief mir davon und die vielen bürokratischen Hürden zu überwinden, schien nahezu unmöglich.
    Sonia und Miguel kamen pünktlich, um halb drei saßen wir beim Essen. Ich war ungeduldig und wartete auf einen passenden Augenblick, um ihnen von meinen Indienplänen zu erzählen. Sie werden wohl erst durch diese Zeilen hier erfahren, wie entscheidend ihre Reaktion war und was genau sie für mich in den kommenden Monaten bedeutete.
    Dass diese Freunde meine Entscheidung sofort begrüßten, mir ihre Unterstützung zusicherten und sich über meinen Enthusiasmus freuten, ihn sogar teilten, gab mir die Kraft und die Hoffnung, die ich in der nächsten Zeit so dringend benötigte.
    »Du brauchst eine Website«, sagte Miguel Angelo, der ein fantastischer Webdesigner ist. »Lass dir einen Namen einfallen, ich richte dir eine Seite ein. Auf diese Weise sparst du schon mal etwas Geld.« Den Rest des Mittagessens verbrachten wir damit, Ideen und Wünsche auszutauschen.
    Was folgte, waren endlose Warterei, stundenlanges Anstehen, um den Papierkram zu erledigen. Wobei
ich ahnte, dass das, was an Bürokratie in Barcelona anstand, keineswegs vergleichbar mit den Verhältnissen in Bombay war. Das Personal bei der Generalitat kümmerte sich - das möchte ich nicht unerwähnt lassen - optimal um mein Anliegen.
    Dauernd rief ich in Indien an, um mich zu versichern, ob alles in Ordnung war, und um Atul sowie seine Mannschaft zum Durchhalten zu ermuntern. Ich hatte weder in Barcelona noch in Bombay Mitarbeiter, musste also ganz alleine planen, mich um die Anmeldung bei den Behörden kümmern und um den allgemeinen Überblick über die Situation - und um das Fundraising schließlich auch noch:
    »Eine vollkommen irre Idee«, sagte ein Hafendirektor, den ich um Unterstützung bat. »Ich glaube ganz und gar nicht, dass dieses Projekt gelingt. So ein junger, verwöhnter Kerl wie du kann sich unmöglich in Indien durchsetzen. Die Inder fressen dich doch bei lebendigem Leib. Von mir jedenfalls kriegst du keinen Cent. Du wirst scheitern. Keine drei Monate gebe ich dir. Ist ja wirklich eine nette Idee, aber sieh dir die harte Realität dort an. Mach dir nicht die Finger schmutzig. Überlass das doch Leuten, die die Welt retten wollen.«
    »Du bist doch in einem Alter, in dem man durch Clubs zieht, mit Mädchen flirtet«, erklärte man mir bei der Marketingagentur einer Zeitschrift. »Du bist jung. Willst du dich im Ernst mit einem Waisenhaus belasten, dort leben wie ein Mönch? Was wird
aus deinem eigenen Leben? Welches Mädchen wird dich je wollen? Eine Inderin vielleicht? Diese Menschen sind doch ganz anders als wir.«
    »Weißt du überhaupt, wie das geht?«, fragte mich beunruhigt Mariane, eine Wirtschaftsprüferin. »Wie schwer es ist, solch ein Projekt in internationalem Maßstab auf die Beine zu stellen?«
    »Du bist ein guter Journalist«, sagte man mir in der Arbeit. »Warum wirfst du eine glänzende Zukunft über Bord?«
    Keiner dieser Kommentare konnte meinen Entschluss entkräften. Schon möglich, dass ich eine glänzende Zukunft über Bord warf. Oder auch nicht. Was ich sicher wusste: Dass ich dabei war, gleich 40 glänzende Zukunftsaussichten in den Himmel zu malen, die wie Kometen leuchten dürften - weit stärker als eine Zukunft alleine.
    Einige der Fragen, die ich zu hören bekam, waren wirklich absurd:
    »Hast du einen Knall?«; »So jung und attraktiv wie du bist?«; »Was ist dir denn für ein Unglück passiert?«; »Hat dich deine Freundin sitzen gelassen?«; »Hat dich die Zeitung gefeuert?«; »Bist du unglücklich?«; »Ziehst du nach Indien, um dich selbst zu finden?«; »Gehörst du irgendeiner Sekte an?« …
    Es folgten Tage, in denen meine Umgebung völlig außer sich geriet, während ich selbst mich so gelassen und ruhig wie nie zuvor fühlte.

    Nachts, wenn ich nicht schlafen konnte, fand ich Trost in Gandhis weisen Schriften:
    Wir müssen uns dagegen wehren, vom Strom mitgerissen zu

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