Bombay Smiles
aus diesem Grund wählen lassen. Ich bin überzeugt davon, dass der wahre Grund für unser Tun und Lassen immer erst nach ein paar Jahren ans Tageslicht kommt, und dass dieser Zweck des Tuns - oder eben Lassens - im Wohlergehen anderer gründet.
Mir wurde also klar, weshalb ich Journalist geworden war, warum die Dinge in einer bestimmten
Reihenfolge abliefen, weshalb ich meine Abschlussarbeit ausgerechnet über den Völkermord in Ruanda geschrieben, warum ich die Indienreise unternommen hatte. Es erschien mir wie ein Fingerzeig des Schicksals, dass ich das erste Interview meiner Reporterlaufbahn mit einem gewissen Vicente Ferrer geführt hatte, dem Gründer der gleichnamigen Stiftung, die seit 40 Jahren gegen die Armut und Ungerechtigkeit in Indien kämpft.
Ein Treffen folgte auf das nächste. Es kam einiges Geld zusammen. Viele von denen, die ich besuchte, konnten einfach nicht nein sagen. Jetzt zahlte es sich aus, dass ich in der Vergangenheit in etlichen Interviews die eher inoffiziell gemeinten Äußerungen meiner Gesprächspartner mit gebotener Diskretion behandelt und manchem Unternehmen durch meine Berichterstattung in schwierigen Zeiten einen Dienst erwiesen hatte, natürlich ohne dafür etwas zu verlangen. In Anbetracht dieser Tatsachen und durch die Wirkung, die die Fotos der indischen Kinder auf meine Gesprächspartner ausübten, fiel es ihnen schwer, mich mit einem »Nein« nach Hause zu schicken.
Es gibt ja diese Redewendung: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück. Wie richtig sie ist, wurde mir damals bewusst.
Es lohnt sich sehr, aufrichtig und anständig zu leben - für die anderen genauso wie für einen selbst. Die Ruhe und Zufriedenheit, die man durch Aufrichtigkeit
und Anstand empfindet, sind mit keinem Geld der Welt zu messen.
Durch die Gespräche, die ich ständig führte, wurde mir auch die Verantwortung bewusst, die wir alle, jeder einzelne von uns, für die Zukunft der Menschheit tragen. Wir verbringen unser Leben damit, die Welt zu kritisieren und darüber zu klagen, was alles schlecht sei, vergessen dabei aber häufig, dass wir doch ein Teil dieser Welt sind. Wenn wir uns selbst ändern, ändert sich mit uns auch die Welt.
Es ist wie mit einer schwarzen Mauer. Über die jammern wir gern, obwohl wir ja alle einen Eimer mit weißer Farbe und einen Pinsel in der Hand haben. Unter Umständen können wir mit dieser Farbe nicht die ganze Wand weiß anmalen, aber sicher ein kleines Mauerstück. Und wenn jeder sein Stückchen anmalt, nur so gut er eben kann, wird letztlich die ganze Mauer weiß.
10
Bis ans Ende meines Lebens
Die Wahrheit lebt im Herzen jedes einzelnen
Menschen. Das ist der Ort, wo wir nach
Wahrheit suchen müssen, denn sie soll uns
leiten. In welcher Form sich die Wahrheit zeigt,
ist nicht wichtig. Wir können von anderen
nicht verlangen, dass sie nach unserer Vorstellung
von Wahrheit handeln.
GANDHI
Es waren einige Wochen vergangen und nach wie vor brauchte ich jede finanzielle Unterstützung, um so schnell wie möglich wieder nach Bombay fliegen zu können. Mit den gesammelten Spendengeldern würde ich vorläufig die schlimmsten Löcher stopfen können. Sie waren aber nur Trostpflaster, eine Grundlage, um einen längerfristigen Sanierungsplan für das Waisenhaus zu entwerfen.
Besonders hilfreich waren die Menschen, die mich bei der Organisation des Benefizkonzerts mit dem Sänger Antonio Orozco unterstützten. Mit den Einnahmen aus dieser Veranstaltung konnte für alle
Kinder des Kartika Home das Schulgeld für ein ganzes Jahr bezahlt werden. Sogar die Kellner arbeiteten an diesem Abend ohne Honorar.
»Wir tun dir den Gefallen, weil wir dich mögen.«
»Ihr tut es nicht für mich«, sagte ich jedes Mal. »Ihr tut es für 40 Kinder in Bombay.«
Die ersten Organisationsmitglieder, die sich sofort anmeldeten, als unsere Website online ging, waren Sonia und Miguel Angelo.
Ich nahm Kontakt zu dem Pariser Fotografen Olivier Follmi auf, einer wahren Institution auf seinem Gebiet, der seit Jahren wunderschöne Bilder von Indien, Nepal und Tibet macht. Er hat eine eigene Stiftung gegründet, um den Bedürftigen dort zu helfen. Auf meine Bitte, einige seiner Abzüge verwenden zu dürfen, antwortete er mir mit einem netten Brief, in dem er mir mitteilte, es sei ihm eine Ehre, wenn seine Fotos für diesen Zweck verwendet würden.
Ich verschenkte alle meine Anzüge und die Gadgets, die mir einige Firmen in den drei Jahren, die ich für das Szene-Restaurant
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