Bombe an Bord (Haie an Bord)
das erste
Mal war, wissen wir nicht. Ladendiebstahl ist kein Delikt, das über die
Landesgrenzen hinaus verfolgt wird. Es bringt also gar nichts, wenn ihr euch in
Isoputavabella um die Frau kümmert. Sie ist dort zu Hause. Sie hat dort Freunde
— und wahrscheinlich auch Beziehungen. Ihr würdet euch nur Ärger einhandeln.
Also versprecht mir, die Finger davon zu lassen. Das gilt besonders für dich,
Tim.“
„Versprochen, Herr Glockner“, sagte
Tim.
Karl nickte und hob die Schwurhand.
Gaby und Klößchen folgten dem Beispiel.
„Vor der Abreise sehen wir uns noch“,
meinte Glockner. „Jetzt werfe ich euch raus.“
„Es wird auch höchste Zeit für uns.“
Tim stand auf. „Wir wollen meine Mutter vom Bahnhof abholen. In einer halben
Stunde läuft der Zug ein.“
10. Das Lager der Sklaven
Erst, als die Maschine von der Startbahn
abhob, atmete Carina auf. Jetzt fühlte sie sich in Sicherheit. Zu der
äußerlichen Ruhe kam die innere Ausgeglichenheit hinzu.
Dennoch: daß sie, die berufsmäßige
Diebin, erwischt worden war, fühlte sie wie einen klebrigen Makel an sich
haften.
Sie hatte einen Fensterplatz und
blickte hinaus. Der Himmel war blau. In der Ferne jagte ein kleines
Düsenflugzeug in westliche Richtung. Unter ihr breiteten die Alpen ihre — zum
Teil schneebedeckten — Gipfel aus. Ab und zu blitzte ein See auf wie ein verstecktes
Juwel.
Carina dachte an Nicole. Morgen wollte
sie Jutta anrufen und sich nach der Kleinen erkundigen. Wahnsinn, wie das alles
passiert war. Aber daran ließ sich nichts mehr ändern. Und Nicole würde die
Wahrheit nie erfahren.
Die Zeit verging. Schneller, als sie’s
in Erinnerung hatte, näherte sich der Flug dem Ende. Jetzt hieß es, sich
anzuschnallen und die Lehnen aufzurichten.
Isoputavabella verfügte über einen
eigenen Flughafen. In gleißendem Sonnenschein und brütender Hitze rollte die
Maschine auf der Landebahn aus. In der Ferne funkelte das Meer. Pinien und
Zypressen standen Spalier. Die Luft war erfüllt von den Düften des Südens.
Von einem Taxi ließ sich Carina nach
Hause bringen. Die Via Maledetto liegt in der Altstadt, wo die Straßen winklig und
eng sind. Lückenlose Häuserzeilen winden sich, als wäre man bei der Erbauung
uneins gewesen, in welche Richtung die Straße verlaufen soll. Lärm füllt die
Straßen — ein Stadtviertel für Einheimische, die hier am liebsten unter sich
bleiben.
Selbstverständlich wirft niemand mit
Steinen auf Touristen. Aber sie werden hier in der Altstadt sofort als Fremde
erkannt — und man fragt sich, was sie wollen. Denn die Sehenswürdigkeiten —
Bauten aus dem Mittelalter und mehrere berühmte Kirchen — liegen in einem anderen
Teil der Stadt.
Sie ist groß. Es gibt ein
Villenviertel, strandnah; ein Hotelviertel, das sich anschließt; den Hafen; den
Jachthafen; Strände soweit das Auge reicht — und einen zweiten Jachthafen
außerhalb.
Über allem der grenzenlos hohe, ewig
blaue Himmel und die Glut der Sonne, die den feinkörnigen Sand aufheizt und die
weißen Mauern.
Carina lebte allein. In ihrer
weitläufigen Wohnung stellte sie den Koffer ab. Sie nahm sich die Zeit, in ein
anderes Kleid und andere Schuhe zu schlüpfen. Dann lief sie zu ihrem
Mittelklasse-Fiat hinunter, der unter einem schattenspendenden Dach auf dem Hof
parkte.
Wenig später hatte sie das
Altstadt-Gewimmel hinter sich gebracht und fuhr über eine staubige Straße durchs
Weichbild von Isoputavabella, wo einige Gewerbebetriebe in häßlichen
Zweckbauten angesiedelt sind.
Carina Tegati fuhr zum LAGER DER
SKLAVEN.
Selbstverständlich war das kein
amtlicher Name. Auf dem Stadtplan oder im Reiseführer hätte man ihn vergeblich
gesucht. Überhaupt: Es gab nur ein Halbdutzend Eingeweihte, die diese
Bezeichnung benutzten. Selbst die Betroffenen, die Kinder, sprachen nur vom
LAGER. Sie selbst waren die Sklaven — aber sie hätten sich nicht so genannt.
Die ehemalige Schweinezuchtanstalt lag
etwa zwei Kilometer außerhalb, landseitig, hinter einem Wäldchen. Eine
Zubringerstraße, sandig und unbefestigt, bog von der Landstraße ab. Sie wurde
nur von den Eingeweihten benutzt, denn die ehemalige Schweinezuchtanstalt war
Privatbesitz.
Carina fuhr durch das Wäldchen. Sie war
niemandem begegnet, und auch hier herrschte Stille wie in einem entlegenen
Winkel der Welt.
Das LAGER duckte sich in eine Mulde.
Man sah und hörte nichts von der Stadt und dem Meer. Umgekehrt war es genauso.
Stadt und Meer nahmen keine Notiz von dem LAGER.
Es
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