Bombe an Bord (Haie an Bord)
Isoputavabella, sondern auch in anderen Großstädten des Landes, wo der Chef
seine Kindersklaven an Verbrecherbanden auslieh oder verkaufte.
Neben dem Diebstahl von Geld,
Handtaschen und Wertgegenständen aller Art hatte der Chef eine Besonderheit
entwickelt, die ihn in Europa buchstäblich zum Schreckgespenst machte für
Banken und Geldinstitute. Denn vorzugsweise ließ er etwas stehlen, was
heutzutage nahezu jedermann bei sich trägt und was gleichbedeutend ist mit
Geld: Kreditkarten.
Der Betrug mit Kreditkarten überzog
inzwischen Europa wie ein Netz. Polizei und Geldinstitute wunderten sich. Man
vermutete, daß der Betrug nicht zufällig geschah, sondern organisiert war. Aber
man fischte im dunkeln.
Die Methode war einfach. Bekanntlich
kann der Besitzer einer Kreditkarte ohne Geld einkaufen — jedenfalls in allen
Geschäften, die sich dem System angeschlossen haben; und das sind bei weitem
die meisten. Der Kunde weist lediglich seine Kreditkarte vor, die eine
bestimmte — seine — Nummer trägt und seinen Namen mit Unterschrift. Das
Geschäft notiert diese Daten, der Kunde unterschreibt die Rechnung, und das
Geschäft erhält sein Geld von der Kredit-Firma. Die wiederum holt sich ihr Geld
vom Bankkonto des Kunden. Der Vorteil für ihn besteht darin, daß er nur wenig
oder gar kein Geld bei sich haben muß. Doch wehe, ihm wird die Kreditkarte
gestohlen!
Es ist einleuchtend: Der Dieb muß
lediglich die Unterschrift, die er auf der Kreditkarte sieht, ein wenig üben.
Dann kann er ohne Hemmungen mit der gestohlenen Kreditkarte einkaufen. Wenn
seine Unterschrift der des Bestohlenen nicht ganz genau ähnelt, macht das
nichts. Die Geschäftsleute achten nur selten darauf. Der Dieb kauft also ein,
und alles geht zu Lasten des Bestohlenen.
Darüber dachte Carina nach, als sie
jetzt ihren Zigarillo in den Sand warf und die Glut mit der Schuhspitze ausdrückte.
Als sie sich dem Hauseingang näherte,
trat Carlo Pratolini ins Freie.
„Schon zurück?“ fragte er.
„Wie du siehst.“
„Ich dachte, du kämst erst nächste
Woche.“
„Nun bin ich aber schon eher da.“
„Freut mich.“ Er grinste.
Sie lächelte und strich ihm mit zwei
Fingern kurz über die Wange.
Das war unverbindlicher als ein
Begrüßungs-Bussi. Dazu konnte sie sich bei ihm nicht überwinden.
Carlo
war vierschrötig wie ein Granitblock. Auch sein Schädel wirkte so. Über der niedrigen
Stirn wuchs das dunkle Haar so spärlich und kurz wie auf seinen Unterarmen. Er
hatte ein grobes Gesicht, und seine Stimme klang, als grolle Kanonendonner in
der Ferne.
„Du kommst gerade rechtzeitig“, sagte
er, während sie ins Haus traten.
Der große Raum war nahezu leer —
abgesehen von einem Tisch, auf dem eine grüne Flasche stand. Daneben lag ein
Löffel.
Die Flasche enthielt das sogenannte
Gegengift.
Tatsächlich handelte es sich weder um
ein Gegenmittel noch um ein Gift, vielmehr um einen angenehm schmeckenden
Honigwein.
Aber das wußten nur die Eingeweihten.
Die Kindersklaven durften es nicht
erfahren.
Gehörte doch das ,Gegengift’ zu dem
Trick, mit dem die Kinder gezwungen wurden, Abend für Abend nach ihrer ,Arbeit’
als Diebe ins LAGER zurückzukehren.
Der Chef hatte sich auch das
ausgedacht. Es funktionierte vollkommen.
Jedem Kind wurde nach vollendeter
Ausbildung mit einer Tätowiernadel ein kleiner Kreis auf dem linken
Schulterblatt in die Haut gestochen.
In diesen Kreis spritzten Carlo,
Massimo oder Marko angeblich ein Gift, ebenfalls unter die Haut; ein Gift, das
— angeblich — im Körper blieb und wie eine Zeitbombe lauerte.
Den Kindern redete man ein, nur die
tägliche Einnahme des Gegengiftes erhalte ihr Leben.
Wer also nicht spätestens um Mitternacht
ins LAGER zurückkehre und seinen Löffel Gegengift abhole, sei dem Tode geweiht.
„Wieso komme ich gerade rechtzeitig?“
fragte Carina.
„Wir haben Probleme.“
Carlo ging ins Nebenzimmer voran. Dort war
sein Büro untergebracht; und es herrschte höllische Unordnung.
Auf dem Schreibtisch standen eine
Flasche Wein und ein benutztes Glas.
Er goß einen großen Schluck ein und bot
Carina das Glas an. Aber sie wehrte ab.
„Jetzt nicht.“ Sie legte wie zur Erklärung
eine Hand auf den Leib.
Carlo trank, schnalzte mit der Zunge
und ließ sich auf dem Bürosessel nieder. Seine Bewegungen waren rasch und genau
— trotz seiner wuchtigen Figur.
„Probleme?“ fragte Carina.
Carlo, der den Spitznamen ,der Klotz*
hatte, redete nur selten zusammenhängend.
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