Bombe an Bord (Haie an Bord)
Jedes Wort mußte man ihm entlocken.
Er nickte und trank einen zweiten
Schluck. Dann bequemte er sich zu einer längeren Erklärung.
„Letzte Nacht hat der Chef wieder
Material aus Jugoslawien geholt: zwei zehnjährige Jungs und ein elfjähriges
Mädchen. Auf dem Rückweg ist ein Patrouillenboot der Küstenpolizei auf ihn
aufmerksam geworden. Er konnte zwar entkommen, aber nur knapp — im
selbstgelegten Nebel. Zum Glück hatte er ein paar Nebelbomben mit. Dummerweise
hat er während des Manövers nicht auf die drei Bälger geachtet. Einer der Jungs
ist über Bord gehüpft — einfach so, platsch! ins Meer. Er ist aber nicht
ertrunken — sondern wurde aufgefischt von den Bullen. So stand’s in der
Mittagszeitung. Der Junge ist aufgeweckt und redet. Er weiß zwar nicht viel,
scheint aber begriffen zu haben, daß er von seinen Eltern verkauft wurde. Vom
Chef hat er keine besonders brauchbare Beschreibung geliefert, aber von der
Jacht. Der Bengel interessiert sich anscheinend für Schiffe aller Größen. Jetzt
fragt es sich natürlich, wieviel die Bullen ihm glauben. Vielleicht halten sie
ihn für einen kleinen Aufschneider. Sei’s drum, der Chef ist beunruhigt. Er
meint, die Bullen würden nach der Jacht suchen. Er will sie loswerden.
Wahrscheinlich wird er sie in die Luft jagen.“
„Und dann?“
„Was meinst du?“
„Wie bringt er die Kinder her?“
„Vorläufig überhaupt nicht. Der Vorrat
reicht. Zwölf sind in der Ausbildung, 18 klauen. Ist ‘ne Menge. Außerdem will
sich der Chef schon seit langem ‘ne neue Jacht zulegen.“
Dazu sagte sie nichts. Alle vertrauten
dem Chef. Er hatte bislang keinen Fehler gemacht. Er war mindestens so gerissen
und skrupellos wie die großen Bosse der Mafia. Hinzu kam, daß er einige
besondere Eigenschaften in die südliche Unterwelt einbrachte — Eigenschaften,
die typisch deutsch und deshalb in Italien nicht so verbreitet sind. Der Chef
war in hohem Maße ordentlich und genau.
11. Im Hotel
Über den letzten Schultag dachte keiner
mehr nach. Zumindest der Vormittag lag schon um Stunden hinter ihnen — und eine
Riesenstrecke trennte sie von der Heimat.
Die TKKG-Bande hatte alle Sinne
geschärft für die Ferien am Mittelmeer — und den Flug mit der Chartermaschine
gut überstanden.
Von den Müttern ließ sich das nicht
behaupten. Beiden wurde übel auf halber Strecke.
Dieser Zustand verstärkte sich, als
Klößchen — hilfsbereit und in bester Absicht — sowohl Susanne als auch Margot
Schokolade anbot. Das war völlig falsch. Beide Mütter wurden ganz grün im
Gesicht.
Aber die Reisekrankheit gehörte
inzwischen der Vergangenheit an. Zwei Taxis mit begrenztem Kofferraum hatten
die Sechser-Gruppe zum Hotel gebracht. Es hieß BELLAVISTA, verfügte landseitig
über einen tropischen Park mit zwei Swimmingpools und wurde durch eine schmale,
wenig befahrene Straße vom Meeresstrand getrennt.
Im zweiten Stock — Südlage — standen
ein Dreibettzimmer sowie drei Einzelzimmer zur Verfügung. Die Jungs hatten sich
von vornherein darauf versteift, ihre vier Wände gemeinsam zu bewohnen — den
drei Damen wäre das ebenfalls recht gewesen. Aber die Aufteilung ließ diese
Massenansammlung pro Zimmer nur vereinzelt zu. Die Doppelzimmer waren
ausgebucht; die Einzelzimmer lagen nebeneinander und auf demselben Flur wie die
Behausung der Jungs. Man blieb also zusammen.
„Es ist schon später Nachmittag, aber
immer noch irrsinnig heiß.“ Tim stand auf dem Balkon und blickte über den
Strand aufs Meer hinaus.
Er hatte seinen Koffer ausgepackt und alles
verstaut.
Karl wurde eben damit fertig.
Klößchen stapelte noch mehrere seiner
großen Bermuda-Shorts in den Schrank.
„Zu heiß“, stöhnte er. „Mir klebt die
Zunge an der Schokolade. Habe einen ganz trockenen Schlund.“
„Schieb dir mal eine Zitronenscheibe
rein — statt deiner Schoko“, meinte Karl. „Das hilft.“
„Auf solche Hilfe verzichte ich“,
murrte Klößchen.
Tim sah die Strandstraße entlang. Auf
beiden Seiten wuchsen Palmen. Mindestens ebenso viele Hotels reihten sich aneinander.
Der Strand war bevölkert. Aber es herrschte Aufbruchstimmung. Wer hier den
ganzen Tag zugebracht hatte, den zog es jetzt in die Stadt — wo am späten
Nachmittag das Leben pulste, wo die Cafés den Ansturm der Gäste bewältigen
mußten und die Geschäfte ihre Kunden im Dutzend abfertigten.
Tim beobachtete die Kolonnen der
Touristen und Einheimischen, die jetzt stadtwärts zogen.
Mindestens die Hälfte,
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