Bombe an Bord (Haie an Bord)
dachte er, hat
üblen Sonnenbrand. Und jeder dritte einen Döskopf, weil er sich stundenlang das
Gehirn braten läßt. Einige haben Schnittwunden an den Füßen, weil sie in
Scherben getreten sind. Alle, die mehr als fünf Portionen Eis geschleckt haben,
kriegen heute nacht Magenkrämpfe oder Schlimmeres. In Seenot war hoffentlich
niemand, und es wird wohl auch niemand vermißt. Vermißt werden höchstens
Portemonnaies, die für einen Moment unbeaufsichtigt rumlagen.
Er trat in das große Zimmer zurück. Es
war hoch, ein Eckzimmer mit Balkon auf beiden Seiten und drei Fenstern. Im
angrenzenden Badezimmer konnten sich zwei Benutzer gleichzeitig das Sonnenöl
von der Haut spülen, denn es gab sowohl Wanne als auch Duschkabine — und
massenhaft Handtücher.
„Ich sehe mal nach meiner Mutti“, sagte
er. „Heute richten wir uns ganz nach ihr und Frau Glockner. Ab morgen
beschreiten wir dann unsere eigenen Wege.“
„Was heißt beschreiten?“ erkundigte
sich Klößchen — und zog ein Paar gelbe Shorts an, die bis weit über die Knie
reichten. „Ich will nichts beschreiten, sondern liegen. Und zwar am Strand.“
„Das könnte dir so passen, Faultier.“
Tim trat auf den Flur und schloß die Tür hinter sich.
Niemand war auf dem Flur. Die Stille
reichte bis zum anderen Ende. Das Sonnenlicht, das durch die Fenster
hereinfiel, zeichnete goldgelbe Rhomben auf Wände und Boden.
Gerade, als er bei seiner Mutter an die
Tür klopfen wollte, trat Gaby aus dem Nebenzimmer. Sie hatte ihr Flaar zum
Pferdeschwanz gebunden, und ihre Blauaugen strahlten.
„Toll hier, was?“
„Spitze!“ nickte er. „Ich begreife
nicht, was im Kopf dieser Carina Tegati vor sich geht. Wer hier zu Hause ist,
riskiert doch nicht, daß sich bei uns die Gefängnistore hinter ihm schließen -
wegen Ladendiebstahls.“
„Vielleicht hat sie ‘ne Meise. Oder sie
sieht diese Traumlandschaft nicht mit den gleichen Augen wie wir. Wohin jetzt
des Weges, Timotheus?“
„Zu meiner Frau Mutter, Gabriele, um
anzupowern, damit der Rest des Tages nicht im Nichtstun versackt. Willi ist
schon auf dem Faulenzer-Trip. Aber das lassen wir uns nicht aufknacken.“
„Nein, lassen wir nicht“, lachte sie.
„Wir wollen Action.“ Tims Mutter hatte ihre Garderobe verstaut und sich
umgezogen. Von der Reiseübelkeit war nichts mehr zu sehen. Susannes apartes
Gesicht wirkte frisch. Ihr braunes Haar war modisch geschnitten, und aus ihren
mandelförmigen Augen leuchtete die gleiche Begeisterung wie bei Gaby.
„Wenn ihr mir helfen wollt“, meinte sie
lächelnd, „kommt ihr zu spät. Ich bin fertig.“
„Seit wann brauchst du Hilfe?“ Tim
grinste. „Was das betrifft, habe ich dich doch nie verwöhnt.“
„Jetzt macht er auf Rüpel“, erklärte
Susanne seiner Freundin. „So lang und stark wie er ist — er scheint doch zu
befürchten, man könnte ihn für einen Schürzenzipfel halten. Das ist er zum
Glück nicht. Sonst würde ich ihn von der Schürze abreißen. Aber hilfsbereit war
und ist er — zum Glück — immer.“
Tim legte seine Hand an den Mund, um
sein Flüstern abzuschirmen. „Du brauchst mich nicht anzupreisen, Mutti. Gaby
macht sich keine Illusionen über mich. Sie kennt alle meine Fehler, aber sie
findet keinen besseren als Freund. An unserer Schule ist die Auswahl
beschränkt. Wir sind nur 523 Jungs.“
„Und ich finde keinen Besseren als
ihn?“ staunte Gaby mit schreckgeweiteten Blauaugen. „Das will ich genau wissen.
Nach den Ferien werde ich mich umsehen.“
„Und so kam es“, erklärte er mit
tieftrauriger Stimme, „daß Gaby und Tim nie wieder nach Deutschland
zurückkehrten, sondern in Italien blieben und sich von Spaghetti und
Tintenfisch ernährten bis an ihr seliges Ende. Und niemand außer Tim wußte,
weshalb Gaby nicht zurück durfte. Doch er nahm sein Geheimnis mit ins Grab.“
Lachend griff Susanne nach ihrer
Sonnenbrille. „Für ein modernes Märchen seid ihr entschieden zu jung. So, und
jetzt holen wir die andern. Margot und ich haben beschlossen, daß wir einen
gemeinsamen Stadtbummel machen. Für den Strand ist es schon zu spät.“
Es klopfte. Margot Glockner, Gabys
Mutter, schob den Kopf durch den Türspalt.
„Susanne, bist du fertig... Ah, der
Nachwuchs ist auch schon bereit.“
„Wir wollten euch Müttern auch einen
Stadtbummel Vorschlägen“, sagte Tim.
Margot kam herein. Auch ihr war von der
Reisekrankheit nichts mehr anzumerken.
Tim ließ den Blick zwischen beiden
Müttern hin und her
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