Bombe an Bord (Haie an Bord)
Weineackel.
Ohne Vorwarnung war die Frau in Tränen
ausgebrochen. Schluchzend schlug sie die Hände vors Gesicht. Ihre Schultern
unter der seidenen Sommerbluse bebten. Tränen, die jetzt die Farbe ihrer grünen
Lidschatten hatten, liefen unter den Fingern hervor.
Tröstend legte Hugo den Arm um sie.
Mit unglücklichem Gesicht wandte er
sich an die andern.
„Meine Frau macht sich bittere
Vorwürfe. Melissa glaubt, wir hätten unsere Aufsichtspflicht verletzt. Denn
unser kleiner Sohn ist seit drei Tagen verschwunden. Tag und Nacht suchen wir
ihn. Es ist grausig.“
13. Beim Chef, dem Deutschen
Auf der Straße rollten Wagen vorbei.
Die Luft stank nach Abgasen. Aus Richtung Strand kamen Fußgänger, die
Badetaschen und Picknickkörbe schleppten. Lärm brauste in die Ohren. Die Menschen
lachten, redeten, schimpften, gestikulierten, sangen sogar.
Melissa war die einzige, die weinte.
„Verschwunden?“ fragte Tim. „Auf welche
Weise?“
Hugos Stimme zitterte, als er
antwortete. „Wahrscheinlich wurde er entführt, gekidnappt. Aber... an der Sache
stimmt irgendwas nicht. Denn... der Entführer meldet sich nicht mehr.“
Betroffenheit auf allen Gesichtern.
Ungeheuerlich! dachte Tim. Aber in
Italien wird ja bekanntlich sehr häufig gekidnappt. Hat sich zu einer Art
Wirtschaftszweig entwickelt. So stand’s neulich in der Zeitung.
„Wie alt ist denn ihr Sohn?“ fragte
Margot.
„Peterchen ist elf.“ Hugo seufzte. „Ich
glaube, ich bin ihm kein guter Vater... eh... Stiefvater. Ich kann mich nicht
genug um ihn kümmern. Zu Hause in Deutschland läßt mir mein Beruf wenig Zeit.
Meine Frau war verwitwet, bevor wir vor drei Jahren geheiratet haben.
Siegfried-Peter ist aus Melissas erster Ehe.“
„Aus meiner zweiten.“ Sie nahm die
Hände vom Gesicht. Ihre Lidschatten hatten sich ausgebreitet — auch über Nase
und Wangen. „Du bist doch mein dritter Ehemann, Hugo.“
„Das interessiert doch jetzt nicht“,
meinte er mit einem Anflug von Ärger. Offenbar war ihm die Ehe-Freudigkeit
seiner Frau etwas peinlich.
Klößchen zog ein halbwegs sauberes
Papiertaschentuch aus der Hosentasche und reichte es Melissa.
„Ihr Gesicht ist ganz verschmiert, Frau
Weineackel.“
„Oh.“
Trotz ihres Kummers war ihr das nicht
unwichtig.
Jedenfalls setzte sie sich in den
Wagen, schluchzte noch einige Male und begann dann, ihr Make-up herzurichten.
„Vor drei Tagen, mittags“, berichtete
Hugo indessen, „vermißten wir Peterchen. Wir bewohnen ein hübsches Haus in der
Strand-Kolonie. Via Aurelia 20. Peter war nicht im Garten, nicht am Strand,
nirgendwo. Dann fand Melissa den Kidnapper-Brief: eine Mitteilung ohne Kuvert.
Sie war zweimal gefaltet und steckte im Briefkasten. Der Kidnapper hat Wörter
und Silben aus der Zeitung ausgeschnitten und aufgeklebt. Er teilt mit, daß
sich Peter in seiner Gewalt befindet. Er fordert eine Million DM. Wegen der
Geldübergabe wird er sich wieder melden. Natürlich haben wir sofort die Polizei
verständigt. Aber mit der ist nicht viel los. Fragen Sie nicht, wieviel
Schmiergeld ich diesen Operetten-Typen in die Taschen gesteckt habe. Aber
unternommen haben sie noch nichts. Wahrscheinlich sind sie unfähig. Oder sie
stecken mit der hiesigen Unterwelt unter einer Decke.“
„Und bis jetzt hat sich der Kidnapper
nicht wieder gemeldet?“ fragte Susanne.
„Wir warten darauf. Aber es kommt
nichts. Kein Anruf, keine Mitteilung. Es ist zum Verrücktwerden.“
Er hob eine Hand mit gestrecktem
Zeigefinger, als falle ihm was ein, öffnete den Kofferraum und nahm eine
Zeitung heraus.
Tim stand am nächsten und sah, daß dort
ein ganzer Stapel lag. Es war die hiesige Tageszeitung.
Hugo deutete auf die Titelseite.
Ein Junge war dort abgebildet. Es
handelte sich um eine Nahaufnahme. Der Junge lächelte in die Kamera. Dennoch
wirkte er traurig.
„Unser Peter“, sagte Hugo. „Sprechen
Sie italienisch? Nein? Das hier ist eine Vermißtenanzeige, ein Aufruf, die Bitte
an alle Leser, auf Peter zu achten. Daß er gekidnappt wurde, ist mit keinem
Wort erwähnt. Die Polizei meint, es sei besser so, um den Täter nicht nervös zu
machen.“
Alle sahen sich das Zeitungsfoto an.
Siegfried-Peter Weineackel hatte
Stirnlocken — überhaupt ziemlich viel Haare. Auf größere Entfernung konnte man
ihn für ein Mädchen halten. Er wirkte sanft und war sicherlich klein für sein
Alter. Um den Mund lag ein trotziger Ausdruck.
Tim prägte sich das Bild ein.
„In welcher Sprache war die
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