Bombe an Bord (Haie an Bord)
Stimmen,
wie Peter durch die geschlossene Tür hören konnte.
Eine Frau schien dabei zu sein. Das gab
ihm etwas Hoffnung. Obwohl er wußte, daß Frauen nicht zwangsläufig Engel sind,
von denen Hilfe zu erwarten ist.
„Seht mal, was ich hier habe!“ rief
Alvaro und bediente sich diesmal der italienischen Sprache, weshalb Peter nur
Bruchstücke verstand.
Von dem, was im folgenden geredet
wurde, bekam er überhaupt nichts mit.
Die Tür öffnete sich. Carlo Pratolini
schob den Kopf heraus. Er starrte Peter an.
„Ist das nicht der vermißte Junge?“
„Ist er“, bestätigte Alvaro. „Hat sich
abgesetzt von zu Hause, wie er zugibt. Bin zufällig auf ihn gestoßen, weil er
sich im Sommerhaus meines verstorbenen Onkels eingenistet hat. Ist der Chef
da?“
„Der Chef und Carina“, nickte Carlo.
„Nur Marko ist noch in der Stadt. Branca und Milo, die beiden Kleinen, hatten
Schwierigkeiten. Sind beinahe erwischt worden. Ich sage ja immer: Wenn sich Branca
hinfallen läßt und Milo dann von hinten zugreift — der Trick nützt sich ab.“
„Wenn wir den hier trainieren“, Alvaro
meinte Peter, „wird ein erstklassiger Sklave draus.“
In Carlos grobem Gesicht schienen sich
die Konturen zu verschieben.
„Mann!“ seufzte er. „Leidest du mal
wieder an Gehirnerweichung? Den hier kennt jeder. Nach dem hier wird gesucht.
Der ist nicht so willfähriges Wachs in unseren Händen wie die jugoslawischen
Kinder. Aber jetzt — da er hier ist: Sperr ihn erst mal irgendwo ein. Zelle 17
ist leer.“
Dieser Raum lag in einem der Ställe. Es
gab kein Fenster, und die Tür war aus Stahlblech. Zwischen den engen vier
Wänden roch es immer noch ein bißchen nach den ehemaligen Bewohnern, den
italienischen Zuchtschweinen — bei denen auf besonders saftige Beinschinken
Wert gelegt wurde.
Als die Tür hinter Peter zufiel und
verriegelt wurde, blieb ihm fast das Herz stehen.
Daß man ihm übel wollte, hatte er
begriffen. Heiße Tränen kullerten. Er ließ sich auf die Strohmatratze fallen,
gegen die seine Füße stießen, und heulte zum Gotterbarmen.
Wie er jetzt bereute, daß er von zu
Hause weggelaufen war! Was hätte er darum gegeben, es rückgängig zu machen!
Seine Mutter und sein Stiefvater erschienen ihm plötzlich als die besten Eltern
der Welt. Kaum daß er noch wußte, weshalb er mit ihnen haderte. Was warf er
ihnen eigentlich vor? Dieser lächerliche Kleinkram! Aber durch seine
Widerborstigkeit hatte er sich jetzt in eine schreckliche Lage gebracht. Was
würde mit ihm geschehen? Ob die ihn umbrachten?
Während sich Peter sein Schicksal in
den schwärzesten Farben ausmalte, schlurfte Alvaro, das Narbengesicht, zu den
andern zurück.
In Carlos Büro hockten beieinander:
Carina Tegati, Carlo und Unwärth, der Chef.
Nur ein kurzer Blick aus tiefliegenden
Augen traf Alvaro — dann setzte Unwärth seine Rede fort,
„...hat also Buzzati, der Taxifahrer,
eingesehen, daß er bei uns nicht einfach aussteigen kann. Wäre ja noch schöner.
Um mir seine Loyalität (Treue) zu beweisen, brachte er gleich darauf
einen heißen Tip. Es handelt sich um eine Villa im Ausländer-Viertel, um das
schickste Haus überhaupt. Die Bewohner - eine englische Familie namens Clayford
— sind für eine Woche nach London geflogen. Das Haus hat keine Alarmanlage.
Sonst wird’s von zwei Doggen bewacht. Die sind jetzt im Tierasyl.“
„Das wird ein schöner und bequemer
Coup“, grinste Carlo. Carina nickte und nahm wieder mal einen Zigarillo aus
ihrer Handtasche.
Unwärth gab ihr Feuer-behandelte sie
auch sonst mit ausgesuchter Aufmerksamkeit, wie es einer Dame zukommt.
Nicht weil er sie besonders mochte,
sondern weil sie ihm als Ausbilderin für Taschen- und Trickdiebe unersetzlich
war. „Wann brechen wir ein?“ fragte Carlo.
„Morgen nacht“, bestimmte Unwärth.
„Ich schicke Gordano, Ivo, Mara und
Alexander“, schlug Carlo vor. „Sind zur Zeit meine besten Einbrecher. Ich
glaube, die wären das auch geworden ohne unser Training. Ihre Neigung und
Eignung war früh zu erkennen.“
Unwärth nickte. „Wenn ich mich recht
entsinne, stammen sie alle aus Familien, deren Väter vorbestraft sind.“
„Ist doch Unsinn, was ihr da redet“,
schaltete sich Carina ein. „Entscheidend für die Entwicklung eines Kindes ist
seine Umwelt, seine Erziehung. Das wiegt stärker als die angeborene
Veranlagung. Selbst ein fragwürdiger Charakter kann sich in der geeigneten
Umwelt zum Guten entwickeln. Davon laß ich mich nicht abbringen.
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