Bombenbrut
zusätzlich gezielt im Hauptrechner bei Defensive-Systems ein Spionageprogramm installiert. Damit wird er genau darüber unterrichtet, was Schwanke und sein Juniorpartner Kluge über ihre Rechner treiben, welche Webseiten sie besuchen, welche Passwörter und andere sensitiven Angaben sie machen. Zusätzlich kann er über das Voice-Modem sogar deren Telefongespräche abhören und über die Webcam am PC von Schwanke dessen Kamerabild betrachten. Gunther Schwanke, Senior CEO der Defensive-Systems in Immenstaad ist für den Hacker Björn Otto im fernen Ho-Chi-Minh-Stadt längst splitternackt. Björn Otto glaubt sich über jeden Schritt des Patentinhabers informiert.
Auch der Erfinder des Teleskops, Herbert Stengele, ist ihm aus dem Effeff bekannt. Björn Ottos Spionageprogramm verrät jede digitale Bewegung Stengeles. In den letzten Tagen lädt er vermehrt klassische Musik aus dem Internet herunter, surft auffallend viel über die Seiten der NASA, von ›Mauna Kea Observatory‹ auf Hawaii sowie der amerikanischen Geheimdienste von CIA bis NSA.
Ist dies ein Hinweis?, fragt sich Otto. Sind auf einmal die Amerikaner hinter der Erfindung her? Hat ihr Geheimdienst sich, ohne dass es von ihm bemerkt worden wäre, das Know-how zum Bau des überdimensionalen Spiegels unter den Nagel gerissen? Auch er hat den amerikanischen Präsidenten gehört. Auch ihm fiel die Wortwahl auf: »Es ist wichtig sicherzustellen, dass wir über ein System verfügen, mit dem wir uns gegen die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts schützen können.«
›Über ein System‹, was nicht mehr heißen kann als über eine Waffe. Er muss diese verdammte Strahlenwaffe gemeint haben! Aber das heißt auch, dass der amerikanische Geheimdienst für den Mord an Kluge und die Bootsexplosion verantwortlich ist. Jedoch ist diese Vorgehensweise nicht typisch für die amerikanischen Kollegen, wägt Otto ab. CIA und NSA sind zwar rücksichtlos, wenn es um die Interessen Amerikas geht, aber in Deutschland kennen die Knaben ganz andere Wege, still und unbemerkt von der Öffentlichkeit. Die Hinrichtung Kluges trägt eine andere Handschrift. Er weiß: Seine ehemaligen Stasikollegen sind unbeteiligt, obwohl die Fakten und die Tatwaffe das Gegenteil nahelegen.
Nur, wer steckt dann hinter den Anschlägen?, fragt sich Björn Otto verunsichert und zieht nervös eine Zigarette aus der Packung.
Der junge Kluge war vor der Explosion auf dem Boot, das weiß auch Otto. Er ist schon längst hinter ihm her. Er hat ihn gleich nach dem Tod seines Vaters in sein Überwachungsprogramm aufgenommen. Der junge Kerl hat, das erfuhr Otto sofort, die Geschäfte seines Vaters übernommen. Iokaste hält ihn direkt von Friedrichshafen aus bestens auf dem Laufenden. Seit ihr Romeo tot ist, kümmert sie sich um den jungen Kluge. Björn Otto fährt in diesem Fall zweigleisig. Seine Nase sagt ihm ein gewinnbringendes Geschäft voraus. Deshalb hat er nach der bewährten Stasi-Methode Iokaste als Schwalbe auf die Kluges angesetzt, gleichzeitig setzt seine neu, nach ihm entwickelte Methode auf die Informationen der Cyberwelt. Er muss seinen Rechnern nur Zeit lassen. Sie sind mit all seinen Anfragen vollgestopft und müssen in Ruhe seine Befehle abarbeiten. In circa einer Stunde wird er schlauer sein. Ungeduldig malmt er mit seinem Kiefer und wartet auf die neuen Ergebnisse. Alle Geheimnisse sind auf seinen Festplatten gespeichert. Hier findet er alles, was er wissen will. Die Kunst besteht lediglich in den Verknüpfungen, dem Abgleichen und Aussortieren. Wenn er einen neuen Schlüssel vorliegen hat, ist er sich ganz sicher, dann flimmert das Ergebnis über seinen Bildschirm.
Björn Otto hat diese Erfahrungen jahrelang bei der Stasi verfeinert. Man muss nur lange genug eine Person im Visier haben, irgendwann finden sich immer Ansatzpunkte, bei denen es sich lohnt, nachzuhaken. Diese Schwachpunkte ergeben sich aus jedem exakten Personenraster. Man muss nur geschickt verbinden und verknüpfen, eins und eins zusammenzählen. Schon bald werden seine Festplatten ihm auch die letzten Geheimnisse seiner Zielpersonen offenbaren. Die auffallend vielen Weinbestellungen von Schwanke, der ungewöhnlich hohe Musikkonsum von Stengele oder auch seine regelmäßigen Besuche im immer gleichen Bordell in Friedrichshafen kennt Otto längst.
Langsam beginnt die spannendste und heißeste Phase für ihn. Er hört das leise Rattern der Laufwerke seiner Rechner und stellt sich vor, wie jede seiner Zielpersonen langsam
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