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Bombenbrut

Bombenbrut

Titel: Bombenbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Schütz
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hastig ein zweites Glas und bedauert die schnelle Wirkung des Alkohols auf seine Sinne. Denn er fragt sich, ob das, was die im Fernsehen gerade erzählen, nicht ihn persönlich betrifft.
    Zunächst kapiert er die Meldung nicht. Dann hört er einen eingespielten O-Ton des amerikanischen Präsidenten: »Es ist wichtig sicherzustellen, dass wir über ein System verfügen, mit dem wir uns gegen die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts schützen können – gegen die wirklichen Bedrohungen.«
    Danach das ernste Gesicht des Nachrichtensprechers, er verliest eine Antwort des russischen Präsidenten: »Nach russischer Ansicht zerstört das Raketenschild das strategische Gleichgewicht in der Welt!« Dazu fügt der Sprecher noch an: »Das US-System beruht auf einer Reihe von Radar-Stationen und Abfangraketen, die feindliche Raketen abschießen sollen.«
    Leon ist wie elektrifiziert. Verdammt, was geht da vor? Was erzählt der US-Präsident im fernen Washington von einem neuen Waffensystem und von Radarstationen im Weltall mit Abfangraketen? War das nicht Markus’ Vision, die er ihm am Seemooser-Horn arrogant an den Kopf geschleudert hatte? ›Der Superteleskopspiegel holt dir im Krieg der Sterne jede Rakete direkt aus dem All herunter. Sensationell, ein Joker im SDI-Programm.‹
    Ihm schwirrt der Kopf. Vor dem Fenster, auf seinem frisch gemähten Rasen, zwitschern die Amseln, die Sonne geht romantisch über dem Bodanrück unter, das Wasser des Bodensees glänzt friedlich im Abendrot – und auf der Mattscheibe streiten sich die zwei mächtigsten Regierungschefs der Welt um eine technische Erfindung, um eine Erfindung aus seiner Heimat, dem Bodensee? Kann das sein? Haben die Amerikaner Schwanke das neue Waffensystem abgekauft? Wie sonst könnte der US-Präsident sagen: »Es ist wichtig sicherzustellen, dass wir über ein System verfügen, mit dem wir uns gegen die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts schützen können.«
    Leon steht auf und holt sich ein drittes Bier. Dann setzt er sich an seinen Rechner und recherchiert im Internet. Auch dort findet er nur identische Erklärungen und Aussagen wie eben in den Nachrichten. Alle heutigen Statements zu dem neuen Raketensystem scheinen sich nur auf den Teleskopspiegel beziehungsweise die Strahlenwaffe von Defensive-Systems zu beziehen.
    »Alle Achtung!«, pfeift Leon durch die Zähne. Demnach hat Schwanke den Amerikanern die Erfindung verkauft; aber will er sie jetzt auch noch immer den Iranern verscherbeln? Oder spielt er falsch? Wurde heute alles neu entschieden? Oder lügt der Mann?
    Leon fühlt sich am Ende seiner Weisheiten. Das dritte Bier gibt ihm den Rest. Er kratzt einige Tabakbrösel zusammen, um sich eine Zigarette zu drehen. Aber er ist den starken Rauch in seiner Lunge nicht mehr gewohnt, schon während der ersten Züge fühlt er sich endgültig wie im Rausch.
    Zum Ende der Tagesthemen vernimmt er vor dem Wetter noch eine letzte Meldung, diesmal wird der Bodensee tatsächlich erwähnt. Ein Zusammenhang mit Barack Obamas Raketenabwehrschirm erkennt der Nachrichtensprecher natürlich nicht. Woher sollte er im fernen Hamburg auch wissen, dass der neue US-Raketenschirm am Bodensee entwickelt wurde und dass in dem Ferienparadies längst ein hemmungsloser Agentenkrieg entflammt ist? Sachlich und ahnungslos verliest er die Schlussmeldung zu Ende: »Vermutlich ist ein Blitzschlag die Ursache für die Bootsexplosion. Während eines Unwetters geriet die Charterjacht zwischen Deutschland und der Schweiz in Brand. Nach Angaben der Polizei waren drei Iraner zu einer Bootstour gestartet. Nach den drei Leichen wird noch gesucht.«
    Leon schaltet den Fernsehapparat aus, fährt den Computer herunter und öffnet eine Flasche ›Valle d’Oro‹, ein kräftiger Montepulciano aus den Abruzzen. Mit ihm verzieht er sich ins Bett, um Lena anzurufen. Er schwatzt aber nur Belangloses und verspricht ihr nochmals, ihren Rasen zu mähen und sie zu einem ›Kopfsalat‹ auszuführen.
    »Du und Kopfsalat?«, fragt sie verwundert.
    Doch seine Gedanken sind ganz woanders. Er will morgen sehr früh aufstehen, er muss zu Schwanke, er will wissen, ob der Kerl tatsächlich Stengeles Patente an die Amerikaner verkauft hat und warum er Markus und Stocks etwas anderes vorspielt.
    Er wird sich, sollte er tatsächlich nach Zürich fahren, ihm an die Fersen heften und am Nachmittag pünktlich zur Eröffnung des Dornier-Museums zurück sein.
    Ein harter Tag steht ihm bevor. Lena plappert unbekümmert. Er nimmt zu

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