Bombenbrut
ihm vor allen Leuten frivol ins Ohr.
Herbert Stengele wendet sich angewidert Leon zu: »Sehen Sie? Was will die mir vorwerfen? – Nein, Matthias war mein Freund. Wir beide sind ein Leben lang gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Ich brauchte ihn und er brauchte mich.«
»Aber stimmt es nicht, dass Matthias vielleicht wegen Ihrer Erfindung umgebracht wurde?«, bohrt Leon ungehemmt weiter.
»Das ist doch Unfug! Der Spiegel ist nicht die erste Waffe, die wir verkaufen. Matthias war Profi. Vielleicht hat sie ihn umgebracht?«, dabei deutet Stengele auf Verena und schaut sie feindselig an.
»Du Arschloch, jetzt reicht es!« Verena hat die Beschuldigung gehört. Energisch wendet sie sich von ihrer kleinen Talkrunde ab und geht auf Herbert Stengele zu. Dann knallt es, gleich zweimal. Links und rechts schlägt sie Herbert Stengele auf die Wangen. Dem Erfinder fliegt die Brille von der Nase, sie fällt auf den Boden, Verena stampft zornig darauf herum und brüllt und weint gleichzeitig: »Das muss ich mir von dir nicht gefallen lassen! Du weißt ja gar nicht, was ich durchmache. Du hast Matthias auf dem Gewissen. Du, nur du!«
Leon steht neben den beiden. Stengele geht einen Schritt zurück. Gunther Schwanke drängt sich dazwischen. Er nimmt Verena schützend in seine Arme und schaut Herbert Stengele vorwurfsvoll an.
»Ich werde es euch allen noch beweisen. Ihr denkt doch immer nur ans Geld. Verkaufen, verkaufen! Aber jetzt bin ich dran, das werdet ihr schon noch sehen!« Stengele hat einen hochroten Kopf. Er schreit seinen Frust in den Festsaal, glücklicherweise ist die Musik laut und die 500 Gäste plappern gegen die ungeplante Störung an.
Iris Köppke löst sich als Erste aus der starren Zuschauerreihe, hebt das gebrochene Brillengestell auf und geht auf Stengele zu. Sie reicht ihm die Brille und redet beruhigend auf ihn ein: »Sie alle sind angespannt, aber das hier ist nicht der richtige Ort. Kommen Sie, Herr Stengele, kommen Sie, ich bringe Sie nach Hause.«
Herbert Stengele will ihre Hand zuerst abweisen, bis er Verena sieht, den Hass in ihren Augen, ihre Ablehnung und Schwankes Handbewegung, die ihn auffordert, zu gehen.
»Ich werde es euch schon noch zeigen!«, brummelt er resigniert in seinen nicht vorhandenen Bart und lässt sich ohne Widerstand von Iris Köppke aus dem Festsaal führen.
Markus schaut den beiden nach, Leon läuft ihnen schnell hinterher, in diesem Augenblick hegt er erstmals Bewunderung für Iris.
Mit dem Abgang Stengeles kommt Bewegung in die Familie Schwanke-Kluge. Sie stecken ihre Köpfe zusammen und tuscheln. Was will Herbert Stengele ihnen allen zeigen, was will er ihnen beweisen, und vor allem, was könnte er als Nächstes planen?
Leon holt Iris Köppke und Herbert Stengele an der großen Eingangstür ein. »’Tschuldigung, Herr Stengele«, hält er die beiden auf, »Sie haben doch sicher eine Visitenkarte bei sich, ich würde gern Ihre Einladung annehmen, ich komme nach der Veranstaltung bei Ihnen vorbei.«
Iris Köppke winkt ab. »Lassen Sie das jetzt«, versucht sie Leon abzuwimmeln.
»Was bilden die sich ein, was wären die ohne mich?«, echauffiert sich Stengele noch immer mit lauter und zorniger Stimme. »Die wollen meine Erfindung verkaufen, sie alle. Aber diesmal geht das nicht so einfach, und schon gar nicht ohne mich. Denn mit dem Patent an sich können die gar nichts anfangen. Um den Spiegel zu bauen, braucht es mehr.« Seine Lippen zucken aufgeregt im Takt seiner flackernden Augen, seine schwarzen Haare hängen ihm tief ins Gesicht, er schaut verwirrt von Iris Köppke zu Leon Dold und wieder zurück. »Mich braucht es. Mich! Nur ich habe in der Quarzschmiede die möglichen Probleme während der Produktion gesehen. Wer den Spiegel nachbauen will, der muss mit mir reden!«
»Herr Stengele«, versucht Iris Köppke den Erfinder zu beruhigen, »jeder weiß, dass Sie der Schlüssel des Erfolges sind, aber bitte beruhigen Sie sich, das haben Sie gar nicht nötig. Wir werden das Kind schon schaukeln«, lacht sie aufmunternd, »dazu braucht es weder Schwanke noch diese Verena, Sie sind der Erfinder, kommen Sie jetzt.« Iris Köppke hakt sich bei Herbert Stengele unter und führt ihn regelrecht ab.
Leon verspricht Stengele: »Ich werde nachkommen.« Und Stengele reicht ihm, bevor Iris ihn wegzerren kann, seine Visitenkarte.
Als Leon sich umdreht, steht Markus Kluge neben ihm und grinst: »Der Kerl sagt wenigstens meiner Mutter, was Sache ist. Ich mag ihn, er ist der
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