Bombenbrut
mit einem breiten Lächeln mustert, »und ihr Freund Joseph Brodsky.« Dabei deutet er auf Joseph, der in seinem Lacoste-Hemd völlig desinteressiert an Leon vorbeischaut. »Alle anderen kennen Sie ja.«
»Auch wenn man das gar nicht will«, Gunther Schwanke schaut mürrisch zu Leon, »er drängt sich einem ja förmlich auf.«
»Das muss an meinem Job liegen«, pariert Leon und geht lässig über den Vorwurf hinweg, indem er freundlich auf Schwankes Frau zugeht. »Freut mich, Sie wiederzusehen«, macht er sich an die Fortsetzung seiner Schleimspur vom frühen Morgen.
Auch Verena und Joseph begrüßt er, dabei schiebt sich plötzlich der vermeintliche Buchhalter dazwischen. »Herbert Stengele«, sagt dieser laut, schaut Leon durchdringend in die Augen und fragt: »Sie sind Journalist?«
»Ja, und Sie?«
»Erfinder«, strahlt Stengele breit über sein ganzes Gesicht und schaut unsicher zu Verena. »Wir müssen dringend miteinander reden«, flüstert er Leon leise zu.
»Gern«, gibt Leon freundlich zurück, aber nicht jetzt denkt er, und dreht sich zum Buffet. Gerade hat er ein Thunfisch-Kanapee mit Kaviar gesehen, das will er sich ergattern.
»Pah, was will der Ihnen schon erzählen?«, stänkert Verena Kluge. Dann senkt sie ihre Stimme und schiebt, um Mitleid zu erheischen, in einem weichem Moll hinterher: »Sie haben meinen Mann am Seemooser-Horn gefunden?«
Leon lässt von dem anvisierten Thunfischhäppchen ab und dreht sich der aufgedonnerten Witwe zu. »Ja«, sagt er verunsichert, »ja, leider.« Dabei schaut er Verena in ihren Ausschnitt.
Sie hebt ihre nackten Schultern leicht an und lächelt Leon keck zu, sagt aber betroffen: »Schrecklich, so furchtbar schrecklich.«
»Ja«, zögert Leon, »und man weiß noch nicht einmal, warum?«
»Warum?«, zischt Verena, »warum? Fragen Sie mal Gunther Schwanke oder den bedeutenden Erfinder, der neben Ihnen steht und so wichtig tut.« Dabei legt sie ihre Hand auf Leons Arme und fügt, wie unter alten Freunden, hinzu: »Wenn Sie nächste Woche Zeit haben, können Sie mich gern besuchen, ich hätte Ihnen auch etwas Interessantes zu erzählen.«
»Ich denke, selbst die Polizei tappt im Dunkeln?«, fordert Leon sie auf, weiter zu plaudern.
»Wenn ich nicht sehen will, stelle ich mich auch ins Dunkle. Fragen Sie mich, dann wird Ihnen ein Licht aufgehen.«
»Ich werde Sie besuchen«, verspricht Leon und versucht dabei krampfhaft, nicht wieder in den tiefen Ausschnitt des sommerlichen Kleides zu schielen.
»Meine Mutter lädt gern fremde Männer zu sich ein«, bemerkt Markus sarkastisch und schaut abfällig zu Joseph.
Der ignoriert Markus und greift sich das Thunfischschnittchen mit Kaviar, das Leon gerade erneut im Visier hatte.
Auf der anderen Seite des Buffets sieht der hungrige Journalist sein Team genüsslich kauen. Wahllos greift er zum nächstbesten Kanapee mit Schwarzwälder Schinken und sichert sich dazu ein weiteres leckeres Schnittchen mit Fischsülze und Essiggurke.
»Stimmt das?«, steht schon wieder Herbert Stengele neben Leon, »Sie haben Matthias aus dem See gezogen?«
»Gott bewahre, ich hatte sowieso schon Ärger mit der Polizei, weil ich den Mann angefasst habe. Dabei musste ich mich doch vergewissern, ob er noch lebt«, antwortet Leon mit vollem Mund und schielt dabei zu Markus.
»Matthias war mein Freund, wir haben beide bei Schwanke gearbeitet, ich bin der Erfinder, er war der Verkäufer«, seufzt Herbert Stengele mit Sehnsucht in seiner Stimme.
Leon hört auf zu kauen. Er mustert den Mann interessiert und fragt überrascht: »Dann haben Sie den umstrittenen ZAS-Spiegel erfunden?«
Herbert Stengeles Augen glänzen: »Ja! Den gab es nicht zu erfinden, den musste man berechnen und ausweiten, aber gewusst wie!«
»Zum großen Auge ins All, das jetzt der amerikanische Präsident als ein System lobt, mit dem er sich gegen die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts schützen will?«
Stengeles Augen beginnen zu flackern. Er weiß einen deutschen Journalisten vor sich, der seinen Konflikt erkannt hat. Big eye, bigger than Hubble, mehr wollte er wirklich nie. Und jetzt dieses Dilemma.
»Deshalb mag Frau Kluge Sie nicht besonders, sie denkt, Sie hätten durch Ihre Erfindung ihren Mann auf dem Gewissen?«
»Verena? Ihren Mann?«, haucht Stengele unsicher, »nein, das denkt sie nicht, schauen Sie, sie amüsiert sich doch, nicht wahr, Verena?«
Verena Kluge hört den Vorwurf nicht. Sie schäkert mit ihrem Joseph, lacht über seine Scherze und beißt
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