Bombenbrut
will er nochmals mit den Kollegen des BKA sprechen. Ein kleiner Stab der Behörde sitzt seit seiner Einberufung nach Kluges Tod nach wie vor in der Zeppelinstadt. Noch ist der Mord nicht geklärt und die Sonderkommission hat ihre Ermittlungsergebnisse noch nicht vollständig zusammenzutragen.
In den ersten Tagen gehörte er der Kommission an. Doch schon bald hat ihn Möhrle abgezogen. Warum, weiß Sibold bis heute nicht, allerdings hat die Zeit genügt, um sich mit einigen im Team zu beschnuppern. Einer der BKA-Mitarbeiter ist ihm dabei äußerst sympathisch geworden. Ein Schwabe, aus Bietigheim. Mit ihm hat er sich als Ludwigsburger schnell verstanden. Mit ihm will er reden, vielleicht passen Dolds Beobachtungen zu den neuesten Ermittlungserkenntnissen seiner Kollegen.
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Leon Dold kommt völlig verschwitzt auf dem Parkplatz vor dem Dornier-Museum an. Er zieht sich schnell um, streift die Flip-Flops ab und zwängt sich in seinen Sonntagsanzug und seine Sonntagsschuhe. Er hört schon von Weitem die Klänge der Musikkapelle, die Veranstaltung hat bereits begonnen. Eilig geht er durch den imposant geschwungenen Eingang in das neu gebaute Museum.
Die Ehrengäste sitzen im Foyer in der ersten Reihe. Der Innenminister schreitet gerade zum Rednerpult, Leon entdeckt sein Kamerateam in einem Pulk von Fotografen.
Der Innenminister zieht eine große, historische Linie von Claude Dornier bis zur heutigen Weltfirma EADS und Astrium. Mit Stolz verweist er auf den Wirtschaftsstandort des Bodenseekreises und natürlich des gesamten Ländles Baden-Württemberg sowie auf die Nachwuchsförderung in den Hochschulen für Luft-und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart.
Leon blickt über die Reihen der Gäste. Rund 500 Besucher beklatschen eifrig jeden belanglosen Satz des Ministers. Sie alle sind in feinstem Tuch erschienen. Die Männer tragen trotz Sommerhitze dunkle Anzüge und Krawatten, die Damen elegante Abendkleider.
Es ist ein großer Festtag, endlich wird, wie zuvor im Zeppelin-Museum, einem weiteren großen Luftfahrtpionier der Stadt gedacht. Der Sohn des legendären Claude Dornier, Silvius Dornier, erinnert an das berufliche Ethos seines Vaters. Nach seinen Worten ein Mann, der stets auf Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit achtete und seine Mitarbeiter immer wieder aufs Neue mit großem Respekt zu Höchstleistungen motivierte. »Diesen Pioniergeist braucht es auch heute«, sagt er laut, der Innenminister und die Gäste klatschen zustimmend.
Aus der Ausstellungshalle des Museums sieht man durch eine Fensterfront über den gesamten Flugplatz, auf dem einst Claude Dornier mit seinen ersten Maschinen gestartet ist. ›Bodensee-Airport‹ nennt sich der internationale Flughafen heute. Mehrere Maschinen parken direkt vor dem neuen Museum, darunter einige teure Learjets, manche kommen aus fernen Ländern. Leon schaut auf die kleinen Flaggen, die das Heck der Vögel zieren. Eine Maschine fällt ihm besonders auf. Der kleine fünfzackige Sowjetstern auf rotem Grund verrät den Heimathafen. Er erinnert Leon an die ›Ho Ho – Ho-Chi-Minh‹-Rufe der 68er auf Deutschlands Straßen, während der Demos gegen den Vietnamkrieg. In den Fernsehdokumentationen von damals sah er, wie die Studenten den Stern auf rotem Grund vor sich hertrugen. Und heute parkt eine Maschine aus dem damals siegreichen, kommunistischen Vietnam friedlich auf dem Friedrichshafener Flugplatz.
»Hey, du musch mer jetzt scho mal sagge, was i genau drehe soll«, flüstert der Kameramann Leon ins Ohr, »das Gesabbel der Politiker isch ja wohl nix für uns.«
»Nein, wirklich nicht, ich brauche nur Schnittbilder von der Festversammlung, das Museum selbst und die Ausstellungsstücke drehen wir später in Ruhe«, weist Leon ihn an, »nimm lieber mal die tiefen Ausschnitte der herausgeputzten Damen auf, dann hast du genügend zu tun.«
»Dann habe ich vielleicht Appetit, aber immer noch nichts zu …« Der Kameramann klemmt seinen Daumen zwischen Zeige-und Mittelfinger und grinst unverschämt.
Leon hat keine Augen dafür, er hat in einer der vorderen Reihen ein ganz besonderes Familientreffen entdeckt: Gunther Schwanke, im schwarzen Smoking mit polierter Platte und seiner penibel darüber gelegten Haarsträhne. Daneben seine Frau Ines, die ihr knallrotes, schulterfreies Kleid erst am Morgen in Zürich erstanden hat. Daneben Markus Kluge, leger in einen hellen Anzug gekleidet, seine langen lockigen Haare zu einem Zopf zusammengebunden. Neben ihm eine schlanke,
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