Bombenbrut
einzige Aufrichtige von uns allen.«
»Und Sie?«, provoziert Leon.
»Ich bin der Sohn meines Vaters. Ich bin Verkäufer«, sagt er stolz und sinniert traurig: »Nur, ich bin es nicht wirklich, mir fehlt seine Leidenschaft, sonst hätten wir diesen verdammten Spiegel schon längst verkauft.«
»Haben Sie das nicht?«, will Leon wissen.
»Spinnen Sie?«
»An die Amerikaner?«
»Was soll das?«
»Aber an die Iraner sicher. Sie haben doch den Deal eingefädelt?«
»Sie waren es, Sie waren auf dem Kat?«, dämmert es Markus plötzlich und er packt Leon am Kragen seines Anzugs. »Ich erkenne Sie, Sie waren es, der um Onkel Gunthers Haus schlich.«
Leon schlägt blitzartig Markus’ Hand von seinem Kragen, verpasst ihm eine in die Nieren und zieht ihn nahe zu sich heran. »Nicht hier, du hast mir einiges zu erklären. Ja, ich habe an dem Abend alles gehört. Ich kann euch und euren sauberen Herrn Stocks hochgehen lassen.«
Markus befreit sich und steht mit herablassender Miene vor Leon: »Pah, du kannst mir gar nichts. Die Sache ist gelaufen! Heute Nacht noch werden die Karten neu verteilt«, prophezeit er triumphierend.
»Und dann?«, versucht Leon mehr zu erfahren, »was dann? Zahlen die Amerikaner dir deinen Judaslohn? Oder lässt du noch mal ein paar Iraner in die Luft fliegen?«
»Arschloch!«, zischt Markus und reckt ihm den Mittelfinger vors Gesicht.
»Wie sonst soll der amerikanische Präsident so plötzlich an das, seiner Meinung nach alles entscheidende, Waffensystem gelangt sein?«
»Frag Herbert, der kann sein Maul nicht halten und turnte in Tokio herum«, lässt Markus sich zu einer Rechtfertigung hinreißen, schlägt jedoch sofort wieder seinen vorherigen Kurs ein und zischt: »Warte ab, ich sage dir, morgen sieht die Welt anders aus.« Überheblich lacht er Leon ins Gesicht und rennt aus dem Museum, Iris Köppke und Herbert Stengele hinterher.
Leon geht in den Festsaal zurück. Er muss jetzt an seine Dornier-Story denken und seinen heutigen Drehplan. Er benötigt einen O-Ton von Cornelius Dornier, dem Initiator des Museums. Von ihm will er einige Kommentare zu seinem Großvater Claude Dornier einfangen. Ganz persönliche Storys sind heute gefragt, nur nicht zu inhaltlich, wer will schon über die Rüstungsgeschäfte des Flugpioniers aufgeklärt werden, lieber sind jedem Redakteur, auch längst bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, private Anekdötchen und Homestorys.
Es ist der Tag der Ehrung von Claude Dornier, und es ist der Tag der Familie Dornier. Die Enkel haben mit dem Geld des Alten das Museum geschaffen. Sie sind heute gefragt, sie geben ein Interview nach dem anderen, auch Leon nutzt die Chance und stellt in dem festlichen Rahmen seine Fragen an einen der Enkel. »Was für ein Mensch war Ihr Großvater?«
Cornelius Dornier ist bestens vorbereitet, er weiß, welche O-Töne die Medien heute schätzen, und gibt kurze Episoden seines Großvaters zum Besten: »Nie mit den Händen in der Tasche in eine Werkhalle!«, lacht er, »das war eines der Gesetze meines Großvaters.« Klein-Cornelius wurde dies schon früh eingeimpft, heute soll dieses Gesetz des Firmenpatriarchen die Achtung des Firmengründers vor seinen Mitarbeitern unterstreichen.
Die Frage nach der Achtung vor den Zwangsarbeitern während des Dritten Reichs traut sich Leon an diesem Tag nicht zu stellen. Aber zur Eröffnung ist auch ein 84-jähriger Slowene geladen. Leon lässt sich seine Leidensgeschichte erzählen und dreht, wie er dem Museumsgründer Silvius Dornier seine persönlichen Aufzeichnungen aus dem KZ-Außenlager in Überlingen aushändigt. Im Februar 1944 wurde der Slowene zu Hause auf offener Straße verhaftet und den Deutschen übergeben. Diese deportierten ihn im April 1944 nach Dachau. Er musste unter anderem im KZ-Außenlager Überlingen Zwangsarbeit leisten.
Leon dreht die Exponate der Ausstellung und führt mit einigen ehemaligen Mitarbeitern des legendären Claude Dornier verschiedene Interviews, darunter auch wie abgesprochen mit Gunther Schwanke. Die Festgesellschaft verabschiedet sich, der offizielle Rundgang ist beendet, auch das Kamerateam packt zusammen.
»Bergfest«, lacht Leon Simon zu, »ihr dürft nach Hause fahren an den Nesenbach, der Urlaub am See geht zu Ende.«
»Wart’s ab, ich habe manche Bilder ein bisschen unscharf gedreht, sodass wir uns sicher bald zu einem Nachdreh treffen«, scherzt Simon, der die Drehs mit Leon am Bodensee liebt. »Und deine Geschichte mit diesem
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