Bombenbrut
direkt auf den offiziellen Flugplatz hinausführen, auf dem original Schau-Exponate der Dornier-Flugzeug-Generationen stehen.
Leon sieht, wie Iris ein besonderes Interesse an den Dornier-Maschinen heuchelt, sich schnell umblickt und daraufhin sofort zielstrebig zu den parkenden Learjets eilt.
Leon schaut ihr gespannt nach und beobachtet, wie sie mit energischem Schritt auf die Maschine aus Vietnam zumarschiert. Die Tür neben dem Cockpit öffnet sich wie von Geisterhand und Iris Köppke huscht die bereitstehende Gangway hinauf.
Wenige Sekunden später sieht er einen Mann aus dem Flieger kommen, er schaut sich auf der Gangway um, als würde er sich vergewissern, dass Iris Köppke niemand gefolgt ist, dann geht er wieder zurück in das Flugzeug und verschließt die Tür von innen.
Leon schaut sich um. Niemand außer ihm scheint auf Iris Köppke geachtet zu haben. Er weiß nicht so recht, was er von der Szene halten soll.
Leon erinnert sich an Herbert Stengele. Er sieht das Bild vor sich, wie Iris Köppke den Mann nach draußen begleitet und hört noch einmal seinen letzten Satz: »Ohne mich geht nichts!«
Verdammt, denkt er und dreht schnell ab. Ohne sich offiziell zu verabschieden, verlässt er die Festgesellschaft. Er ahnt, dass Herbert Stengele in Schwierigkeiten stecken könnte. Iris Köppke ist ihm plötzlich nicht mehr geheuer. Er liest auf Stengeles Visitenkarte dessen Adresse und steigt hastig in seinen Wagen.
Die Waldsiedlung ist nicht weit. Herbert Stengele wohnt am Rande der Industriestadt in einer schmucklosen Neubausiedlung der 80er-Jahre. Fertigteile auf die grüne Wiese gestellt, ein paar Bäume und Büsche angepflanzt und Fertiggaragen dazwischen platziert.
Leon prescht los, kurvt durch viele Straßen, die fast alle Namen der großen Gründerkapitäne des Zeppelinzeitalters tragen. Im Norden der Stadt findet er bald die Waldsiedlung und springt aufgeregt aus seiner Karre. Er schließt nicht mal ab, sondern rennt zur Klingelleiste des ersten Blocks, liest in der zweiten Reihe ›Stengele‹ und drückt den Klingelknopf.
»Ja«, tönt es lang gezogen aus dem Lautsprecherkasten neben der Tür.
»Ich bin’s, Leon Dold, der Journalist.«
Der Türöffner summt.
Leon fällt ein Stein vom Herzen. Herbert Stengele steht in einer kurzen, hellen Sporthose und leichtem Sporthemd barfuß an der Tür. Er hat ein Glas Weißwein in der Hand und schwitzt.
Auch Leon schwitzt. Es ist schon fast 19 Uhr, aber das Außenthermometer zeigt noch immer über 30 Grad. Leon fährt sich mit dem Ärmel seines guten Hemdes über die Stirn, fächelt sich Luft zu und strahlt Herbert Stengele an: »Sie sind der Unruhestifter, der fast die gesamte Rüstungsindustrie auf den Kopf stellt?«
»Tja«, sagt Stengele niedergeschlagen, »das tut mir leid, das wollte ich wirklich nicht. Ich fühle mich wie der Zauberlehrling, und werde die Geister, die ich selbst rief, nicht mehr los.«
Er winkt Leon in seine Wohnung. Ein Violinkonzert ist zu hören. Stengele stoppt die CD, geht zu dem Couchtisch und schenkt auch Leon einen Weißwein ein.
»Danke«, sagt Leon und nimmt zwei kräftige Schlucke.
Ohne lange Einführung und etwas überraschend für Leon beginnt Herbert Stengele, seine Leidensgeschichte zu erzählen. Zunächst sein jahrelanges Forschen, dann endlich den Erfolg und die Anerkennung seiner Patente in Tokio, und dann die Hatz auf ihn in Moskau und jetzt auch am Bodensee sowie die vermutliche Ausspähung der NSA und der Nachbau auf dem Mauna Kea in Hawaii.
17
Björn Otto hat seine Freizeitkleidung angezogen. Eine Wisent Jeans, aus dem ehemaligen VEB Bekleidungswerk Templin, dazu ein Hawaiihemd wie Jürgen von der Lippe. Er ist gut gelaunt und schüttet sich einen Drink nach dem anderen in den Schlund. »Stell die Klimaanlage höher«, gibt er dem Kapitän seiner Privatmaschine Anweisung, »das ist hier eine Hitze, fast wie in Ho-Chi-Minh-Stadt.«
Der ehemalige Stasiagent sitzt in einem Learjet mit vietnamesischem Heimathafen, aber mitten auf dem Bodenseeairport in Friedrichshafen. Um ihn ist ein voll funktionsfähiges Büro installiert. Die Monitore flimmern, auf einem ist Herbert Stengele zu erkennen, auf dem anderen Tabellen und Zahlenreihen.
»Der Auftrag ist klar und deutlich formuliert«, sagt er, »die Chinesen bezahlen pünktlich und gut, wir brauchen diesen verdammten Spiegel, und wenn es sein muss, diesen Stengele dazu.«
Ihm gegenüber hat ein gut gekleideter Herr in einem sommerlichen Anzug, kurz
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